Drachenfluch1: Zauberschmiedekunst (German Edition)
ausstreckte, hatte er das Bild vor Augen, wie seine Blume deswegen weinen würde. Ein herzzerreißendes Bild. Da Callin ihre Persönlichkeit erhalten wollte, empfahl es sich nicht, Nesri mit zu vielen traurigen Gefühlen zu belasten, es würde sie zerbrechen. Auch wenn dieses zarte Geschöpf eine bewundernswerte innere Stärke besaß, und zumindest einen Dämon in sich trug, auch wenn sie nicht zaubern konnte – sie war nur eine zarte kleine Frau.
Zudem war eine tote Mutter keine Konkurrenz für ihn, es gab keinen Grund zur Eifersucht. Darum beschloss er jedes Mal aufs Neue, ihr den Drachen zu überlassen. Der Ohrring schmückte Nesri schließlich, es sollte nicht von Bedeutung sein, dass nicht er ihr das Kleinod geschenkt hatte.
Genau das wird der Grund sein, warum ich das alberne Ding nicht mag, es hat nicht mir gehört.
Mit einem zärtlichen Kuss ließ er Nesri gehen und schaute ihr mit einem Lächeln nach, als sie in den Nebenraum eilte.
Eigentlich ist es viel zu riskant, sie mitzunehmen, dachte er. All die Gefahren unterwegs … Andererseits wollte er unbedingt, dass Nesri die erste Zauberschmiedin sein würde, die Jiru mit einem Kind segnete. Callin sehnte sich nach einer eigenen Familie, er war schon alt, gleichgültig, wie jugendlich sein Gesicht noch wirken mochte. Darum, er musste sie mitnehmen und alles geben, um sie zu beschützen. Yaris war ein Gegner, den man niemals unterschätzen durfte …
Nesri strich über den winzigen Jadesplitter, den Callin benutzt hatte, um sie zu binden. Er saß genau zwischen ihren Augen und leuchtete in dem Spiegel, der über Callins Kleidertruhe angebracht war. Sie hätte es wahrlich schlimmer antreffen können! Das musste man Callin lassen, er verstand es, mit Schönheit umzugehen und den Wert seines Besitzes zu steigern. Nesri fühlte sich tatsächlich schön mit diesem Stein.
Ich werde ihn auch nach Callins Tod dort belassen, dachte sie. Mit leichtem Widerwillen berührte sie den Kopf des Schmuckdrachens, sie freute sich nicht auf ihre Pflicht.
„Mutter!“ Es dauerte nur einen Moment, bis sie das Bewusstsein ihrer Mutter in sich spürte. „Er ahnt etwas, Mutter“, dachte sie und unterdrückte den Schmerzensschrei, als grausige Qualen sie in die Knie zwangen. Jahrelang war Nesri darauf vorbereitet worden, diese Schmerzen zu ertragen, die jeder Widerstand gegen ihren Herrn mit sich brachte und trotzdem war es jedes Mal überwältigend. „Er hat wieder minutenlang mit sich gerungen, mir den Ohrring abzunehmen. Er spürt, dass es mehr als ein Andenken ist. Unterschätz ihn nicht, Mutter.“ Ihr liefen Tränen über die Wangen, dennoch zwang sie sich, klar zu denken und sich auf die Antwort zu konzentrieren.
„Du musst vorsichtiger sein. Umgarne ihn, bis er alles andere vergisst. Auch jetzt schon sollte er dir völlig verfallen sein.“
„Das ist er. Doch wenn sein Schwanz befriedigt ist, regt sich sein Verstand und der ist erheblich schärfer, als du es ihm zugestehen willst.“
„Halte durch, Nesri.“ Trotz der Schmerzen, die wie Wellen durch ihren Körper brandeten, ihr die Sicht nahmen und blutige Schleier vor ihren Augen tanzen ließen, spürte sie das Ringen ihrer Mutter, die ihre eigenen Sorgen nicht zu ihr durchdringen lassen wollte.
„Callin ist mein Mittel zum Zweck, Liebes. Wir werden ihn, Yaris und den widerlichen Verräter bezwingen, auch wenn sie sich gerade unbesiegbar glauben. Achte darauf, dass keinem von ihnen etwas geschieht, damit die Bindung nicht verloren geht und Jiru für uns nutzlos wird. Diese Gelegenheit kommt nie wieder!“
„Nesri, meine Blume, ist alles in Ordnung?“
„Ich muss mich beeilen, Mutter!“
Hastig unterbrach sie die Verbindung, zerrte das nächstbeste Gewand aus der Truhe, nahm geistesgegenwärtig ein zweites mit, in das sie mit ihren langen, scharfen Fingernägeln ein Loch riss und eilte tränenblind zurück zu ihrem verhassten Herrn und Meister.
„Verzeiht mir!“, presste sie schluchzend hervor, warf sich auf die Knie und hielt das kaputte Kleidungsstück in die Höhe. „Ich konnte mich nicht entscheiden, welche Farbe Euch vorteilhafter zu Gesichte steht und habe dabei das hier beschädigt!“
Schnalzend und gurrend, als müsste er einen fiependen Welpen beruhigen, half Callin ihr auf die Beine, umarmte sie, bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Glücklicherweise waren die Schmerzen jetzt fort, da sie aufgehört hatte, ihren Herrn zu hintergehen. Trotzdem tat es gut, sich trösten und halten zu lassen,
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