Drachengasse 13, Band 02
Hanissa.
„Eine Schale Wasser “ , wiederholte Gump und verschwand hinter seiner Theke. „Aber gern. Wasser macht müde Männer bunter .“
Tomrin und Sando grinsten sich an. Typisch Gump: Er mochte menschliche Redewendungen, konnte sie sich aber einfach nicht merken.
Die Brause schmeckte köstlich wie immer. Und doch konnten die Freunde sie nicht genießen. Zu sehr lastete die Sorge um Bortha auf ihnen.
„Was ist jetzt ?“ , zischte Tomrin. „Soll ich mal fragen ?“
Gump hatte begonnen, einige Krüge zu spülen, und konnte sie nicht hören. Tomrin fand, dass der sonst so lebhafte Zwerg an diesem Tag etwas bedrückt wirkte.
„Lieber nicht “ , flüsterte Sando. „Gump hat sicher schon mitbekommen, dass Bortha heute Nacht verschwunden ist. Wenn wir ihn scheinbar grundlos auf die Verbotenen Hügel ansprechen, zählt er entweder eins und eins zusammen, oder er macht auf sturer Zwerg und erzählt uns gar nichts .“
„Aber irgendetwas müssen wir doch tun !“
Ratlos sahen sich die drei an.
Plötzlich hellte sich Hanissas Miene auf. „Wartet mal ab. Ich mach das schon .“
Sie steckte zwei Finger in ihre Brause, strich sich mit den feuchten Fingerkuppen über die Wangen – und stieß ihren Krug um. Mit einem lauten Klirren fiel er zu Boden. Die Brause ergoss sich über die dünne Strohschicht auf den Dielen.
„Oh, Fleck, nicht das jetzt auch noch !“ , klagte sie laut und vergrub das Gesicht in den Händen. „Hast du heute nicht schon genug angerichtet ?“
Tomrin und Sando sahen sie an. Hatte sie den Verstand verloren? Was war nur in sie gefahren?
Auch Fleck wirkte völlig überrumpelt. Der kleine Drache hatte natürlich gemerkt, dass sein Name gefallen war. Allerdings war er sich keiner Schuld bewusst. So unsicher, wie er zwischen den Jungen, dem umgestoßenen Krug und Hanissa hin und her sah, schien er sich allerdings doch nicht ganz sicher zu sein.
Jetzt bebten Hanissas Schultern. Unterdrückte Schluchzlaute drangen hinter ihren Händen hervor.
Sando sah Tomrin an, als habe sich die ganze Stadt gerade entschieden, ab sofort eine andere Sprache zu sprechen, ohne ihm Bescheid zu sagen. „Was ist denn los ?“ Dann zuckte er zusammen, denn Hanissa hatte ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein verpasst.
„Psst !“ , machte sie leise und schluchzte prompt noch lauter.
Tomrin konnte nur mit den Achseln zucken. Er war so ratlos wie Fleck und Sando.
„Um Himmels willen, Nissa !“ Gump eilte herbei. Er klang so besorgt, als hätte sie sich gerade ein Messer in den Arm gerammt. „Was ist denn, meine Liebe? Hm? Bestimmt lässt sich alles wieder einrenken .“ Fürsorglich legte er den Arm um Hanissas Schultern und tröstete sie.
Langsam ließ sie die Hände sinken. Darunter waren ihre Wangen so feucht, als hätte sie tatsächlich geweint.
„Es ist nur … dieser Drache … “ Hanissa schluchzte erneut und tat, als könne sie vor lauter Traurigkeit keinen vollständigen Satz herausbringen. „Ich mag ihn ja … aber immer macht er was … stößt was um … Heu… Heute Morgen hat er sogar etwas gefressen, was er nicht hätte fressen dürfen … “
„Aber das macht doch nichts, Nissaleinchen “ , säuselte Gump und strich ihr über das rote Haar. „Das bisschen verschüttete Brause ist nicht weiter schlimm .“
„Aber meine Aufgaben “ , gab sie zurück und zog lautstark die Nase hoch. „Ich hatte Magister Kronzimons versprochen, bis zur nächsten Unterrichtsstunde alles fertig zu haben. Und ich war auch fertig! Aber dann hat Fleck die Blätter gefressen, und jetzt ist es zu spät, alles neu zu machen .“
Fleck winselte leise und versteckte sich halb schuldbewusst, halb verwirrt unter dem Tisch.
Tomrin musste sich anstrengen, nicht zu grinsen. So langsam konnte er sich vorstellen, was Hanissa vorhatte.
„Aber du bist doch nicht allein, mein Kind “ , sagte Gump. „Wir können dir doch helfen. Worum ging es denn bei deinen Aufgaben ?“
„Könnt ihr nicht “ , schluchzte sie. „Auch Ihr nicht, Herr Gump. Oder kennt Ihr Euch etwa mit der Geschichte der Verbotenen Hügel aus? Darum ging es nämlich in meinem Aufsatz .“
Gump zuckte sichtlich zusammen, fasste sich aber schnell wieder. „Die Verbotenen Hügel … Mal sehen .“ Sein Blick verklärte sich. Er wirkte, als wisse er nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Einerseits wollte Gump nicht über das Stadtgebiet sprechen, das sein Volk für verflucht hielt. Andererseits aber konnte er einer
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