Drachengasse 13, Band 02
nickte, als habe er sich das schon gedacht. „Ich hoffe, ihr bringt euch nicht in Gefahr, Jungs .“
„Wir doch nicht “ , sagte Tomrin ein wenig zu schnell. „Ihr kennt uns doch .“
Osrum seufzte leise. „Eben .“ Dann zwinkerte er ihnen zu. „Also, dann stürmt mal los. Passt auf euch auf, und auch auf meine Pip .“
Die Jungen versprachen es ihm.
Es musste wohl kurz vor Mitternacht sein, als Hanissa leise aus dem Bett kletterte. Ein herzhaftes Gähnen überfiel sie, während sie verschlafen durch ihr Zimmer stolperte. Seit sie Tomrin und Sando kannte, war sie viel zu häufig mitten in der Nacht oder in aller Früh auf den Beinen.
Wenn ich nur wie die Studenten der Magischen Universität tagsüber in die Bibliothek dürfte , dachte sie missmutig.
Aber die Lehrordnung sah nicht vor, dass Frauen hier studierten. Magie war angeblich nur etwas für Männer, die schlau genug waren, um ihre Geheimnisse auch zu begreifen.
Hanissa hielt das für eine Frechheit. Sie besaß ein natürliches Talent für Magie und beherrschte mit ihren zwölf Jahren bereits Zaubersprüche, an denen sich fünf Jahre ältere Studenten die Zähne ausbissen. Aber es half ja alles nichts. Sie musste heimlich, still und leise – und nicht selten in tiefer Nacht – ihren Studien nachgehen.
Am Fußende ihres Bettes hob Fleck den Kopf. Er hatte zusammengerollt auf einem alten Schafsfell geschlafen, aber nun schreckte er auf. Ein gurgelndes Quäken drang aus seiner Kehle. Was ist los? , schien er zu fragen.
„Psst, Fleck “ , ermahnte Hanissa ihn flüsternd. „Sei leise, damit Mutter nicht wach wird .“ Erleichtert merkte sie, dass der kleine Drache seine goldene Farbe verloren hatte. Seine Schuppen waren wieder so grüngrau wie eh und je.
Seit Baron Berun Fleck in die Obhut der drei Freunde übergeben hatte, lebte er bei Hanissa. Tomrin, Sando und sie hatten lange überlegt, wo sie Fleck halten sollten. Nachdem die Festung der Stadtgarde und Gumps Brandung als eher ungeeignet ausgeschieden waren – und auch keiner von ihnen Fleck allein in der Drachengasse 13 lassen wollte – , war die Wahl schließlich auf Hanissa gefallen. Ihre Mutter Corinda war zunächst alles andere als begeistert gewesen. Doch nach ein paar Tagen hatte auch sie Fleck ins Herz geschlossen. Mittlerweile ließ er sogar die Möbel in Ruhe und aß nur noch die Reste, die Corinda ihm von ihrer Arbeit in der Küche der Universitätsmensa mitbrachte.
Nun rappelte sich der Jungdrache auf und tappte zu Hanissa hinüber. Leise quäkend sah er zu ihr auf.
„Nein, Fleck, du musst hierbleiben “ , widersprach sie. „Ich gehe nicht weg. Ich will nur kurz in die Bibliothek. Später komme ich wieder und hole dich ab .“
Fleck wiederholte das Geräusch und stupste Hanissa mit der Schnauze in die Seite.
„Hör auf. Ich kann dich nicht mitnehmen. Niemand darf mich sehen .“
Der kleine Drache quäkte ein drittes Mal und stupste sie erneut an. Dann blickte er wieder zu ihr hoch.
Das Mädchen schob sich eine Strähne ihres roten Haars hinters Ohr und seufzte. „Du bist unmöglich. Dann komm halt mit. Aber sei ganz leise .“
Ein zufriedenes Gurgeln war die Antwort.
Auf Zehenspitzen schlich Hanissa aus ihrer Kammer und durch das Esszimmer ihrer kleinen Wohnung zur Tür. Dabei lauschte sie auf die Atemzüge aus Corindas Schlafgemach. Im nächsten Moment hatte sie die Wohnungstür erreicht und war mit Fleck hinaus auf den dunklen Korridor geglitten.
Hanissa und ihre Mutter lebten im Obergeschoss des Rings . So wurde der Kreis aus Gebäuden mitten auf dem Campus genannt, in dem die Magister der Magischen Universität ihre Wohngemächer und Arbeitsräume hatten.
Mit Fleck im Schlepptau schlich Hanissa durch den mit alten Teppichen ausgelegten Korridor. Hinter den Türen links und rechts lagen die Zimmer der Köchinnen, Zimmermädchen, Dienstboten und Bibliotheksgehilfen. Natürlich war außer ihr und dem kleinen Drachen niemand um diese Uhrzeit unterwegs.
Über eine der drei Treppen huschte Hanissa in den ersten Stock. Dort wohnten die meisten der Zauberer, die an der Universität unterrichteten. Hier musste Hanissa schon vorsichtiger sein. Viele der Magister waren Nachteulen. Sie hockten bis weit nach Mitternacht in ihren Studierstuben oder saßen in den verräucherten Kaminzimmern zusammen, um über die verrücktesten Dinge zu diskutieren.
Der Magister, von dem sie sich Hilfe erhoffte, war jedenfalls mit Sicherheit noch wach. Kaspar Nekrominus Huibur, der
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