Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
sich zum ersten Mal dessen Seele genauer an.
    Sie war irgendwie seltsam, zwar auch drachenäh n lich, aber nur teilweise: Die Konturen waren ve r wischt, als wäre eine andere Form halb ausradiert worden. Ihre Farben waren auch nicht so dunkel wie Cleevers. Das Schwarz wurde besonders an den Rändern durch ein starkes Schmutziggelb ergänzt. Da fiel Michael Mr Cleevers Ausruf vom gestrigen Abend wieder ein, als Michael entsetzt durch einen anderen Flur gelaufen war: »Du wirst das werden, was du siehst!«
    An Paul Comfreys Seele war etwas so Verwirrtes und Uneindeutiges, dass Michael sich nun fragte, was genau diese Worte bedeuteten. Zweifellos b e fand sich Paul Comfreys Seele mitten in einer Ve r änderung. Sie hatte vorher anders ausgesehen – den Umrissen nach war sie vielleicht irgendeine Rattenart oder Wühlmaus gewesen – und nun wurde sie lan g sam zu einem Reptil. Die fürchterliche Bedeutung dieses Vorgangs lag wie ein Bleiklumpen in Mich a els Magen. Eine Sekunde lang drohte er die Haltung zu verlieren, doch dann nahm er allen Willen z u sammen und löschte diesen Gedanken aus seinem Bewusstsein.
    Es war doch völlig gleichgültig, was mit der Seele dieses schwächlichen Trottels geschehen war! Und es war auch egal, wenn seine eigene sich verwande l te. Er wusste doch schon, dass die Form unwichtig war. Wichtig war das Erstarken der Kraft und dass man etwas Besseres als die anderen war. Vielleicht war Paul Comfrey zu schwach für die völlige Ve r wandlung. Aber er, Michael, würde immer stärker werden, ganz egal, was geschah.
    »Ich bin ganz deiner Meinung, Paul«, sagte Mr Cleever. »Wenn alles gut geht, morgen Abend. Aber zunächst müssen wir uns um ein paar andere Dinge kümmern. Und zuallererst müssen wir Michael mit Joseph bekannt machen.«
    Sie waren langsam durch den Flur geschritten und standen nun vor einer mächtigen Tür, die Cleever öffnete, aber nicht durchschritt.
    »Michael, ich möchte, dass du hier wartest. Mr Hardraker möchte dich kennenlernen, aber wir mü s sen ihm beim Anziehen helfen, und das kann etwas dauern. Wenn er dann erscheint, lass dich bitte von seinem Aussehen nicht täuschen. Paul, geh zurück und bewache die Tür. Vanessa wird bald hier sein, und Geoffrey kommt auch bald.«
    Nun zog er die Tür ganz auf, und Michael betrat ein riesiges Wohnzimmer mit hochlehnigen Sofas, die bereits zur Jugendzeit seiner Großmutter altm o disch gewesen waren. Die Zimmerdecke war reich mit Stuckreliefs verziert, und die Tapeten zeigten ein verschnörkeltes Muster. Gemälde oder gerahmte F o tos waren keine zu sehen. Vor den Fenstern hingen Vorhänge, so dick und schwer wie Teppiche. Er zog einen zur Seite und sah hinaus, und als ihn das So n nenlicht traf, wurde ihm klar, dass es im Zimmer ganz dunkel war und er immer noch den BLICK ei n setzte. Das erschien ihm mittlerweile ganz normal, und die Vorstellung, den BLICK abzuschalten, kam ihm seltsam vor.
    Die Aussicht war langweilig, deshalb ging er zu dem Sofa, legte sich darauf und verschränkte die Hände unter dem Kopf. Er wartete lange, wie lange, hätte er nicht sagen können.
    Er war ganz versunken in grimmige Gedanken an Stephen, und deshalb überraschte ihn das plötzliche Offnen der Tür. Er stand verwirrt auf.
    Mr Cleever kam herein und musterte ihn.
    »Zieh einen der Vorhänge auf, Michael«, sagte er. »Und an deiner Stelle würde ich nicht zum BLICK wechseln, solange Mr Hardraker im Zimmer ist. Sonst wird es ziemlich anstrengend für dich.«
    Michael zog einen der schweren Vorhänge beiseite und Licht strömte ins Zimmer. Er schaltete den BLICK gehorsam ab und bemerkte ein leises, immer stärker werdendes Kribbeln am ganzen Körper; in seine Erwartung mischte sich Furcht.
    Dann trat Mr Cleever zur Seite und Mr Hardraker betrat den Raum.
    Michael fühlte eine starke Hitzewelle durch die o f fene Tür eindringen und den Raum füllen. Ein ve r schrumpeltes Etwas in einem Rollstuhl wurde von Paul Comfrey hereingeschoben. Pauls Gesicht war blass und schweißüberströmt. Das Etwas trug hel l blaue Hosen, die schrecklich leer zu sein schienen, und einen dicken rosa Wollpullover, über dem ein Kopf herabhing. Die unbehaarte Haut war perg a mentgelb und pergamenttrocken und die beiden we i ßen Augenhöhlen starrten unverwandt nach vorn.
    Michael wurde etwas übel, aber er unterdrückte sein Unbehagen und blieb unbeirrt stehen.
    Der Rollstuhl hielt an.
    Michael wartete.
    Alle standen schweigend und untätig da.
    Die Gestalt im

Weitere Kostenlose Bücher