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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Rollstuhl regte sich nicht, kein Ze i chen verriet, ob sie bei Bewusstsein oder überhaupt am Leben war.
    Michael suchte noch nach Worten, als auf einmal eine kalte Kraft trotz aller Gegenwehr in seinen Verstand eindrang und dort kurz ruhte, bevor sie sich wieder zurückzog. Als sie wieder verschwand, kon n te er ein Schaudern nicht unterdrücken, aber er schwieg immer noch. Seine eigene Kraft flammte als Reaktion auf das mühelose Eindringen stärker auf und peitschte wütend durch den Raum, schlug ziellos und unkontrolliert um sich. Befriedigt registrierte er Paul Comfreys Zurückzucken, als ihn die Hiebe tr a fen, doch über Mr Cleevers Gesicht flackerte nur kurz ein Lächeln, und von der Gestalt im Rollstuhl kam gar keine Reaktion.
    Michaels Zorn wuchs, und er gab sich alle Mühe, eine entsprechende Antwort zu liefern. Mit einer Leichtigkeit, die ihn überraschte, bündelte er seine Wut zu einem kraftvollen Strahl, den er auf Mr Cle e ver richtete. Beim Absenden sah er die gleiche E x plosion von feurigen Linien vor seinen Augen, die dem Ausbruch aus seinem Zimmer vorangegangen war. Dann befand er sich kurz zwischen den Geda n ken eines anderen Menschen – ziellos, fremd und u n beholfen.
    Mr Cleevers Lächeln verschwand abrupt. Die G e danken wandelten sich von amüsierter Zufriedenheit zu verwirrtem Erschrecken, und weil Michael spürte, dass ein Gegenschlag drohte, zog er seine Kraft schnell von Mr Cleever zurück und betrachtete nun die Gruppe als ein Ganzes.
    Er hatte irgendeinen mentalen Angriff als Rache auf seine Aggression erwartet, aber nichts geschah. Mr Cleevers Lächeln kehrte langsam zurück, und Paul Comfreys Gesicht entspannte sich wieder.
    An der Tür bewegte sich etwas, und Vanessa Sa w croft erschien. Sie trug den Arm in einer Schli n ge und im Gesicht hatte s ie rund um die Augen böse Abschürfungen. Sie starrte Michael unverwandt an. Er wunderte sich über ihre Verletzungen, die sie sich bestimmt nicht in der Bibliothek zugezogen hatte, doch mittlerweile konnte Michael nichts mehr übe r raschen.
    Dann sagte Mr Cleever: »Michael, Mr Hardraker ist über euer Zusammentreffen außerordentlich e r freut. Er möchte dir die Hand schütteln.«
    Michael war die Vorstellung, die schlaffe gelbe Klaue zu berühren, die schüchtern aus dem Pullove r ärmel heraushing, nicht besonders angenehm. Aber ihn erfüllte nun ein neues Selbstvertrauen. Irgendwie war er geprüft worde n , und seine Reaktion hatte se i ne neuen Gefährten sichtlich überrascht. Ihm war sogar, als hätte er die vierte Gabe bei Mr Cleever eingesetzt, und das erfüllte ihn mit großer Begeist e rung. Er versuchte also, die blicklosen Augen zu i g nori e ren, schritt durch den Raum zu dem Ding im Rol l stuhl, bückte sich und hob dessen Hand hoch.
    Der Schock brachte ihn fast um.
    Die Hand war eiskalt, kälter noch als Eis, kälter als die Kälte, die Haut an Felsen festkleben lässt und die Atemluft in Eiswolken aus Kristallsplittern ve r wandelt. Die Kälte fuhr ihm lähmend durch den Arm und in seinen Körper, betäubte ihn mit dem Atem des Todes, verdünnte sein Blut und verstopfte seine Art e rien mit Eis.
    Eine Sekunde lang wurde auch sein Hirn ganz taub, aber als sein Verstand von süßer Müdigkeit e r füllt wurde, reagierte seine Kraft mit einem verzwe i felten Aufbäumen und begegnete dem Eis mit Feuer.
    Um ihn herum erfolgte eine Explosion, Luftwirbel und orangefarbenes Licht erfüllten den Raum, Schreie und Ausrufe ertönten hinter der Tür auf der anderen Seite. Michaels Kleider fingen Feuer, er hö r te die Fensterscheiben implodieren und den Gips an d er Decke knacken. Wie in einem Traum wallte die Energie in ihm auf und seine Füße hoben sich vom Boden.
    In diesem Augenblick höchster Ekstase ließ er die Hand los und die Energie verschwand aus ihm. Dann kehrten seine Füße auf die Erde zurück und stießen mit einem leisen, trockenen Scharren auf die ve r kohlten Dielen.
    Das Ding im Rollstuhl hatte nichts bewegt außer der Hand, die jetzt mit der Handfläche nach oben auf der Hose lag wie eine große tote Spinne. Michaels Kleidung war grau und qualmte. Er hustete zweimal, das Geräusch hörte sich in dem zerstörten Zimmer hohl an. Alle Fensterscheiben waren verschwunden, alle Vorhänge ebenfalls. Die Wände waren versengt mit schwarzgelben großen Brandflecken. Die hoc h lehnigen Stühle waren nur noch Holzskelette, von denen Stofffetzen herabhingen. Und von Mr Cleever, Miss Sawcroft und Mr Comfrey war nichts

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