Drachengold: Roman (German Edition)
Iskierkas Ei hunderttausend Pfund in Goldmünzen erforderlich gemacht hatte – aber natürlich hatte damals auch noch niemand wissen können, wie sich ihre Persönlichkeit entwickeln würde. Selbst Temeraire hatte man nur für einen Kaiser-, nicht aber für einen Himmelsdrachen gehalten. Das zeigte nur umso deutlicher, wie wertvoll Eier waren: Niemand in England würde heutzutage noch hunderttausend Pfund für Iskierka hinlegen, da war sich Temeraire ganz sicher – außer im Augenblick vielleicht Hammond.
»Es ist nur eine unglückliche Fügung«, sagte Temeraire verlegen, »dass ich bislang noch kein Ei hatte …«
Iskierka, die aus zusammengekniffenen Augen quer über den Hof zu Maila hinsah, der im Schein der Lampen vor der Halle der Franzosen saß und mit den Flammes-de-Gloire plauderte, schnaubte über ihre Schulter hinweg. »Nach all den großen Reden, die du geschwungen hast, dass du angeblich bei all den Drachen, mit denen man dich im Zuchtgehege zusammengebracht hat, deine Pflicht hast erfüllen müssen? Und das ist schon zwei Jahre her; inzwischen hätte man doch wohl davon gehört, wenn irgendeines der Weibchen dort ein Ei von dir bekommen hätte.«
»Also, wenn an dem, was Lien sagt, nur ein Körnchen Wahrheit ist, habe ich es vielleicht noch nicht mit der richtigen Art von Drachen versucht«, konterte Temeraire. »Die haben mich da immer nur mit den friedlichsten Tieren zusammengesteckt.« Dann fügte er im Nachsatz hinzu: »Nicht, dass das nicht sehr angenehme Weibchen gewesen wären. Aber kein einziges Tier davon hat sich in irgendeiner Schlacht hervorgetan, und viele davon waren nur Mittelgewichte …«
»Du brauchst gar keine Anspielungen zu machen«, schnaubte Iskierka, »auch wenn das zu dir passt; nur dass mir das gar nichts mehr ausmacht. Ich werde es jetzt einfach mit dir probieren, wenn du willst, und Maila kann noch ein bisschen warten«, sagte sie in ziemlich giftigem Ton. »Der sitzt da ja lieber rum und macht diesen … diesen … Froschfressern schöne Augen.«
»Das sollte gar keine Anspielung sein …« Temeraire schüttelte seine Halskrause aus und sagte eilig: »Oh, ach so, nun ja.« Iskierka hob mit einem kämpferischen Glänzen in ihren Augen vom Boden ab. Im Stillen musste Temeraire zugeben, dass es schon etwas wäre, ein Ei zu haben, dessen Schlüpfling über den Göttlichen Wind verfügen würde und Feuer spucken könnte. Er senkte den Kopf und polierte energisch seine Brustplatte; es war zu dumm, wie er jetzt fand, dass er nicht von Anfang an darauf bestanden hatte, dass ihm für die Zeremonie auch seine Krallenscheiden angelegt würden. Aber er hatte keine Lust gehabt, sich bestmöglich herauszuputzen für etwas, das ihm eher wie ein trauriger Anlass erschienen war.
»Nun komm schon«, drängte Iskierka. »Ich hätte nichts gegen eine Zwischenmahlzeit vorher einzuwenden: Gestern habe ich eine Herde von wilden Lamas in der Ebene im Süden gesehen, und ich würde davon ausgehen, dass sie noch immer da sind. Da gab es auch ein hübsches, abgeschiedenes Tal, von hier aus geradewegs in Richtung Berge.«
»Oh, die waren aber lecker«, sagte Iskierka und leckte sich über die Lefzen. Als sie genügend Lamas erbeutet hatten, hatte Temeraire Iskierka dazu gebracht, mit ihrem Feueratem einige Steine aufzuheizen, die er in einer Grube aufeinandergeschichtet hatte. Dort hinein hatte er die Lamas gelegt, zusammen mit einem angenehm duftenden Busch, den er aus der Erde hergerissen hatte, und er hatte das Ganze mit ein wenig Wasser aus einer Salzquelle besprenkelt, bevor er es mit Steinen zudeckte. Als er und Iskierka alles erledigt hatten, waren auch die Lamas durchgegart und verzehrfertig.
»Wir werden wegen des Eies ja sehen«, sagte Iskierka. »Das scheint mir keine große Sache zu sein, und ich für mein Teil bin mir sicher, dass alles Weitere reibungslos verlaufen wird. Ich bin ja schon seit Ewigkeiten so weit – wenn du nur nicht immer alles so kompliziert machen würdest.«
»Als wenn ausgerechnet du irgendjemandem vorwerfen solltest, kompliziert zu sein«, sagte Temeraire, allerdings ohne jede Schärfe. Die Lamas hatten ausgezeichnet geschmeckt, was ihm wie ein triumphaler Erfolg bei seinem ersten eigenen Kochversuch vorkam. Und außerdem konnte niemand bestreiten, dass Iskierka ein beeindruckender Drache war. Nicht einmal ihre Stacheln hatten sich als so hinderlich entpuppt, wie er erwartet hatte, auch wenn man sich geschickt anstellen musste, damit sie nicht im Weg
Weitere Kostenlose Bücher