Drachengold: Roman (German Edition)
Meile, die sie flogen, erschöpfter, und ihre Kräfte ließen stetig nach …
Sie hatten weder Zeit gehabt, sich um Verpflegung zu kümmern, noch hatten sie ordentlich zusammengepackt. Die zwei Lamas, die Temeraire an diesem Morgen von der Jagd mitgebracht hatte, waren in Kulingiles Magen gewandert, während die Männer eilig in die Bauchnetze getrieben wurden, ohne dass sie auch nur die Gelegenheit bekamen, sich richtig zu sichern. Mindestens vier Männer hatte man zurücklassen müssen; Laurence war sich sicher, dass sie sich längst für einen nächtlichen Ausflug davongeschlichen hatten. Es tröstete ihn immerhin, dass ihr Schicksal nicht so schlimm sein würde, wie es hätte werden können: Ganz sicher würden sie von irgendeinem Drachen in dessen Ayllu aufgenommen werden – trotz der politischen Differenzen ihrer jeweiligen Länder –, anstatt in ein Gefängnis geworfen zu werden, in dem es wenig Hoffnung auf Entlassung gäbe.
Die Streitkraft der Inka, die aufgeboten worden war, um die Flüchtenden einzufangen, hatte in dem Augenblick zugeschlagen, als die Sonne aufging. Laurence war sich sicher, dass es das Ziel der Inka war, die Drachen gefangen zu nehmen und vielleicht für Zuchtzwecke einzusetzen, und man wollte jeden Bericht, der nach Europa geschickt werden könnte, aufhalten. Die wenigen Minuten, die Laurence und den anderen nach Temeraires und Iskierkas Warnung noch geblieben waren, hatten gerade eben ausgereicht. Als hinter ihnen das erste Gebrüll und die Herausforderung zum Kampf ertönten, stiegen sie in die Luft, preschten mit aller Kraft voran durch die Schlucht, die mit dichtem Morgendunst gefüllt war, und suchten verzweifelt Zuflucht in den Bergen Richtung Osten.
Der Tag hatte sich dahingezogen; die Nacht brachte keinerlei Ruhepause, denn ein beeindruckender Halbmond schien auf die eisbedeckten Berggipfel, und es machte den Eindruck, als seien unter ihren Verfolgern auch Drachen, die in der Dunkelheit sehen konnten. Doch endlich hatte Temeraire, der an der Spitze flog, die östliche Seite der Anden erreicht, und sie folgten den Hängen hinab in den scheinbar endlosen Dschungel hinein, der sich undurchdringlich und grün am Fuße der Berge erhob.
Ab und an entdeckten sie ein ausreichendes Versteck, um zu Atem zu kommen, ein wenig Schlaf zu finden und einige kleine Schlucke Wasser zu trinken, wofür sie mit ihren Händen die gleichmäßigen Rinnsale auffingen, die an den glatten Stämmen der Bäume hinabliefen. Zweimal während des halben Tages, den sie sich verborgen hielten, hatte ein leichter Sprühregen eingesetzt. Aber mit drei großen Drachen konnten sie nie lange Unterschlupf finden; Laurence sah durch die gesprenkelten Blätter hindurch, wie die Sonne über den Himmel kroch, und hoffte nur, dass ihnen dieser Ort wenigstens bis zur Nacht als Versteck dienen würde.
Hammond war von ihrem rasenden, unruhigen Flug schwach auf den Beinen und grün im Gesicht, und mit zittrigen Händen faltete er einige Kokablätter zusammen, die er sich vor der Flucht noch rasch in seine Tasche gesteckt hatte. Da sie keinen Tee aufbrühen konnten, stopfte er sich die Blätter in den Mund und kaute darauf herum. »Es ist empörend … Eine Verletzung aller allgemeingültigen Regeln bezüglich der Unantastbarkeit von Botschaftern …«, schimpfte er vor sich hin, eine nur geringfügige Variation seiner Tiraden, die sich die anderen seit ihrer überstürzten Abreise praktisch ununterbrochen anhören mussten.
»Man braucht sich nicht zu wundern – sie werden sich diese allgemeingültigen Regeln bei den Spaniern abgeschaut haben«, sagte Laurence und versuchte, seinen Unmut im Zaum zu halten. Er wäre selber froh über eine Tasse Tee gewesen und noch dankbarer für einen schwarzen Kaffee. Stattdessen wölbte er eines der tellergroßen, breiten Blätter, die wie bei Weinreben hinabhingen, fing damit Wasser auf und ließ es sich in den Mund rinnen.
»Wir sollten uns lieber eine Fluchtroute überlegen und herausfinden, in welche Richtung wir fliegen sollten«, sagte er und beugte sich vor, um mit groben Strichen den Umriss des Kontinents in den Erdboden zu ritzen.
»Nach Rio natürlich«, sagte Hammond, als ginge es lediglich darum, ein Reiseziel zu benennen. »Jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Wir sollten so schnell wie möglich vorankommen.«
»Nun, das werden wir nicht. Wir werden in Teufels Küche kommen, wenn wir durch den Dschungel fliegen wollen, ohne ausreichend Wasser dabeizuhaben«,
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