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Drachengold: Roman (German Edition)

Drachengold: Roman (German Edition)

Titel: Drachengold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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zurückgekehrt waren, das eines der einzigen unzerstört gebliebenen Gebäude war und deshalb momentan als Hauptquartier diente. Vorräte an Nahrungsmitteln und Kleidung, die aus der kaputten Stadt gerettet worden waren, lagerten in den Räumen. Laurence und Lethabo setzten sich zwischen ein paar Fässer mit Pökelfleisch. »Ich kann kaum glauben, dass so viele Menschen in die Sklaverei gezwungen werden konnten, ehe Ihre einheimischen Drachen reagiert haben, indem sie die Sklavenhäfen in Schutt und Asche gelegt haben. Und Sie selber haben mir erzählt, dass nicht einmal jeder zehnte Versklavte überlebt hat. Der Großteil derer, die Sie gerettet haben, kann nicht von den Tswana abstammen.«
    »Und selbst wenn es so wäre«, sagte Lethabo, »und die Geretteten trotzdem darauf beharren, dass ihre Vorfahren von uns abstammen, oder behaupten, dass sie eine entfernte Erinnerung an unsere Heimat haben, wäre das dann weniger wahr als die Wiedergeburt unserer Vorfahren in Gestalt der Drachen, die uns beschützen?«
    Laurence wusste nicht, was er darauf erwidern sollte: Sie war die Frau eines Missionars gewesen und, wie er fand, eine zu gute Christin, um diesem Aberglauben anzuhängen. Angesichts seiner Verwirrung schüttelte sie den Kopf. »Ich nenne es keine Lüge«, sagte sie, »denn wenn sie daran glauben, dann ist es auch wahr. Und ich glaube, dass Gott die Gerechtigkeit mehr liebt als den Buchstaben des Gesetzes. Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.«
    Sie stand auf, denn in diesem Augenblick hatten vier weitere Überlebende ihr Haus betreten: ein Mann und eine Frau mit einem kleineren Kind auf dem Arm und einem älteren, das sich an ihre Hand klammerte. Ängstlich sahen sie über ihre Schultern hinweg zu dem Mittelgewichtsdrachen, der sie draußen vor der Tür abgesetzt hatte. Ganz im Gegensatz dazu kauerte sich das Tier draußen auf dem Boden zusammen, um ihnen mit hoffnungsvoller Miene hinterherschauen zu können.
    Lethabo sprach die Neuankömmlinge auf Portugiesisch an; Laurence konnte der Unterhaltung nicht folgen, doch er sah, wie die Menschen erst immer ruhiger wurden, dann aber begannen, unsichere Blicke hinaus zum Drachen zu werfen. Auf ihren Gesichtern zeichnete sich eindeutig Zweifel ab. Schließlich ging Lethabo zu einem Tisch, der am Fenster stand, und öffnete ein dickes Buch, in dem in zwei Spalten Namen aufgeführt waren: Sie blätterte hindurch, fand den Namen Boitumelo alleinstehend auf der linken Seite und las ihn laut vor.
    Der Mann wiederholte ihn langsam und sah fragend zu seiner Frau. Diese wiederum schaute auf die Kinder, und einen Augenblick darauf sprach sie bestätigend den Namen nach. Lethabo nickte und notierte etwas in der rechten Spalte. Dann brachte sie die vier nach draußen zu dem erwartungsvollen Drachen und sagte etwas in der Sprache der Tswana zu dem Tier. Laurence ging zum Eingang und hörte, wie sie dem Drachen mitteilte, dass dieser Mann wahrscheinlich der Enkel von Boitumelo sei, und dies sei seine Familie. Der Drache stieß einen freudigen Laut aus und antwortete, dass er sich genau das gedacht habe: Bei dem kleinen Jungen sei eine große Ähnlichkeit zu erkennen. Dann beschnupperte er das ältere Kind, das nach kurzem Zögern die Hand ausstreckte und dem Drachen die Schnauze streichelte.
    Nach knapp einer Viertelstunde kam Lethabo zurück nach drinnen. Die frisch Angekommenen waren von einer Frau, die Lethabo unterstützte, zu einer Unterkunft im Lager gebracht worden. Lethabo hob eine Augenbraue, als sie Laurence entdeckte, der sich über das Buch gebeugt hatte. »Haben Sie sonst noch Bedenken bezüglich meiner Arbeit?«
    »Nein«, antwortete Laurence leise, als sie das Buch wieder schloss, »keine. Ich frage mich nur, wie Sie so viele Menschen nach Hause bringen wollen.«
    »Die Franzosen haben versprochen, uns mit ihren Schiffen heimzubringen«, sagte sie, »und dann wollen sie zurückkehren und noch mehr Gerettete abholen. Wir sind aus Afrika in kleineren Schiffen hierhergeschafft worden. Auf diesen riesigen Transportern können beinahe tausend Menschen untergebracht werden, und zwar unter besseren Bedingungen als in der umgekehrten Richtung und mit dem Trost, dass der Weg in die Freiheit führt und nicht in die Sklaverei.« Als sie Laurence’ fragenden Blick sah, fuhr sie fort: »Und auf dem Rückweg werden die Schiffe noch mehr Drachen dabeihaben, jawohl. Natürlich benutzen die Franzosen uns: Und wir benutzen sie. Dies ist kein wirkliches Bündnis, und unser

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