Drachengold: Roman (German Edition)
bringen und legen keinen Wert darauf, dass er für uns arbeitet. Und ich denke, es ist gemein, dass man ihn von seiner Familie getrennt hat. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir ihn seinem Besitzer weggenommen haben, dann ist das wohl kaum schlimmer, als ihn von seiner Familie …«
Temeraire brauchte seine eigene Rede nicht ins Englische zu übersetzen, denn Laurence hatte sich die Tendenz seiner Ausführungen bereits anhand der ausladenden, abwiegelnden Gesten zusammengereimt, mit denen Hammond versuchte, Laurence’ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Daher legte Laurence Temeraire eine Hand auf die Flanke, um ihn zu unterbrechen und sich einen zusammenfassenden Bericht vom Gespräch geben lassen.
»So kann man doch nicht mit einem Repräsentanten einer Nation sprechen!«, fuhr Hammond Temeraire an. »Sir«, sagte er, wandte seinen Kopf zum Gouverneur und rief mit erhobener Stimme: »Sir, ich muss Sie unbedingt darüber in Kenntnis setzen, dass dies in keiner Weise die Auffassung Seiner Majestät widerspiegelt …«
Gouverneur Hualpa, der den menschlichen Mitgliedern der Gruppe bislang keine große Beachtung geschenkt hatte, senkte seinen Kopf, um mit einem seiner riesigen, roten Augen Hammond betrachten zu können, der ein wenig zu stottern anfing, als er den Blick auf sich spürte. »Warum schreien Sie mich denn so an?«, fragte Hualpa. »Der Gouverneur der Menschen wird Sie nicht empfangen, da Ihre Landsleute bewiesen haben, dass man Ihnen nicht trauen kann, und wahrscheinlich würden auch Sie versuchen, den Gouverneur gefangen zu nehmen und mit Gold aufwiegen zu lassen. Also haben Sie sich das alles nur selbst zuzuschreiben. Und versuchen Sie etwa, mir zu sagen, dass dieser Drache kein Recht dazu hat, im Namen Ihrer ganzen Gruppe zu sprechen?«
Bei dieser Frage blieb Hammond der Mund offen stehen, und er zögerte merklich, sich im Grunde durch Temeraire ersetzen zu lassen, indem er ihn als offiziellen Sprecher ihrer Gruppe bestätigte. Aber wenn es noch irgendeine Hoffnung darauf gab, den Gouverneur zu Tarucas Freilassung zu bewegen, ohne für einen unangenehmen Zwischenfall zu sorgen, dann war es nötig, dass die Gespräche nicht abrissen. Laurence ergriff Hammonds Arm.
»Sie haben sich doch selbst gewundert, wie die Franzosen es schaffen konnten, offene Verhandlungen zu führen«, sagte Laurence. »Wenn die Inka einen Drachen als Botschafter akzeptieren und jeden Menschen in dieser Position ablehnen, dann ist das Geheimnis doch jetzt gelüftet. Sie dürfen Temeraires Autorität nicht untergraben, wenn Sie auch nur auf die geringsten Chancen hoffen, dass wir ebenfalls Beziehungen zu den Inka aufnehmen können.«
»Ja … Ja, natürlich«, stammelte Hammond widerstrebend und teilte schließlich ebendies Hualpa mit, jedoch nicht, ohne zuvor Laurence die Zusage abzuringen, dass dieser versuchen würde, Temeraire dazu zu bewegen, nur das zu sagen, was Hammond vorher abgesegnet hatte.
»Du kennst meine Einstellung in dieser Angelegenheit«, sagte Laurence zu Temeraire, während Hammond mit Hualpa sprach, »und es tut mir sehr leid, wirklich außerordentlich leid zu erfahren, dass man hier Sklaverei praktiziert. Aber ich muss Hammond beipflichten: Wir können nicht darauf hoffen, langfristig irgendetwas in ihrer Gesellschaft zu verändern, wenn wir uns sofort gegen ihre Sitten auflehnen. Wir sind auch in keiner guten Position, ist doch in unserer eigenen Nation die gleiche Form von Barbarei bekannt.«
»Nun ja, natürlich werde ich höflich sein«, antwortete Temeraire, »aber ich muss sagen, es ist ganz schön viel verlangt, sich als Dieb beschimpfen zu lassen, nur weil wir keine Sklaven halten und sie nicht in Ketten legen, sie von ihren Familien wegreißen und verkaufen. Mir kommt es so vor, als hätte ich ihnen viel mehr ein Kompliment gemacht, indem ich ihnen sagte, ich hätte sie nicht für Sklavenhalter gehalten. Das war doch keine Beleidigung …«
»Keine Beleidigung?!«, sagte eine Stimme hinter ihnen, als Temeraire sich umgedreht hatte, um seine letzten Worte für Hualpa zu übersetzen. Temeraire warf einen Blick über seine Schulter und sah, dass ein weiterer Drache in die Halle gekommen war: Er war nur wenig größer als Palta, und seine Federschuppen waren durchgängig grün. »Es soll keine Beleidigung sein, wenn Sie es so klingen lassen, als hätte ich ihn wie ein Lama behandelt? In Ketten legen! Verkaufen! Pah!«
Der Neuankömmling, ein Drache namens Cuarla, beugte den Kopf vor dem Gouverneur
Weitere Kostenlose Bücher