DrachenHatz
Stück Würstchen hinterher. Wenn das nicht gut für Leib und Seele war …
Tja, jetzt folgte der schwierigere Teil. Ich musste die Reihe der Verdächtigen durchforsten und nach Tatmotiven sowie -möglichkeiten suchen. Zur Stärkung genehmigte ich mir noch eine Tasse Tee, um sogleich mit meinem persönlichen Dauer-Super-GAU anzufangen: Thomas. Er stand vielleicht nicht an erster Stelle der Liste, doch er stand eindeutig drauf, und es nützte mir überhaupt nichts, wenn ich beharrlich die Augen davor verschloss.
Thomas also. Wenn er derjenige welcher war, der Greta aufs Wort gehorchte und für sie den Laufburschen spielte, wann immer sie es befahl, dann war er ein Lügner, Betrüger, Schläger und – Mörder. Ich schob den Teller weg. Ich verspürte keinerlei Appetit mehr.
Einen Moment lang sah ich meinen Ex-Geliebten vor mir: den Mund, mit dem er meinen Körper in Ekstase versetzt hatte, die Hände, die so zärtlich streicheln konnten, das weiche Gesicht, wenn er von seinem Kopfkissen zu mir herüberblickte. Dann wurde mir schlecht. Ich schoss hoch, sauste zur Toilette und hängte mich mit letzter Kraft über die Schüssel, wo das ganze schöne Frühstück meinen Körper im hohen Bogen verließ. Meinem Magen bekam dieser Fall wirklich überhaupt nicht.
Anschließend war ich ziemlich fertig. Mit zitternden Knien und einem trotz heftigen Zähneputzens widerlichen Geschmack im Mund wankte ich zur Couch zurück und goss mir einen Tee ein, den ich in kleinen bekömmlichen Schlucken schlürfte. Wenn Thomas der Täter war, dann gute Nacht, Marie! Dann würde ich meinem Urteilsvermögen nie wieder richtig trauen können sowie der gesamten Männerwelt künftig abschwören. Wie furchtbar!
Ich schenkte mir die dritte – oder war es bereits die vierte? – Tasse ein.
Und wenn der Arme nun völlig unschuldig war? Und weder mit Greta – im wahrsten Sinne des Wortes – unter einer Decke steckte noch als ihr williger Handlanger fungierte, sondern einfach nur Thomas war, dem die Frau tatsächlich bloß leidtat und der dabei gewesen war, sich in mich zu verlieben, bis alles schieflief, was nur schieflaufen konnte? Dann hatte ich zwar mit ihm als Mann und Liebhaber auch weiterhin meine Probleme – immerhin hatte er mir ernsthaft verbieten wollen, als Privatermittlerin zu arbeiten, und auch sonst versucht, sich mehr als ihm zustand in mein Leben einzumischen –, doch als Mensch besaß er geradezu einen Anspruch darauf, vor Greta gewarnt zu werden.
Ich ertappte mich dabei, dass ich wie hypnotisiert auf die erkalteten Spiegeleier starrte, die mittlerweile ein unappetitlicher Glibberrand umgab.
Selbstverständlich konnte ich versuchen, das Gespräch in streng neutralen Bahnen zu halten. Na ja, zumindest anstreben sollte ich es, überlegte ich, während ich zögernd zum Telefon griff und seine Büronummer eintippte. Vielleicht befand er sich ja auch auf Dienstreise und war gar nicht – er war da.
»Breitschedt«, meldete er sich nach dem zweiten Klingeln mit seiner ruhigen Stimme, die augenblicklich auf meine Atmung schlug. Ich spürte, wie mein Rachenraum verdorrte und gurgelte zweimal heftig mit Spucke, bevor ich mich mit einem kargen »Hier ist Hanna« meldete.
Er wiederholte hörbar erfreut meinen Namen, und ich musste erneut gurgeln, um ihm sogleich barsch den Wind aus den Segeln nehmen zu können. »Dies ist sozusagen ein dienstlicher Anruf, Thomas. Bitte, höre mir erst einmal zu, bevor du etwas sagst, ja?«
Er schwieg, was ich ungemein irritierend fand.
»Thomas?«, fragte ich sicherheitshalber nach. Manchmal wurden Verbindungen ja einfach so getrennt.
»Ich höre«, antwortete er. Seine Stimme klang ziemlich angespannt. »Was hast du mir zu berichten?«
»Es geht um Greta«, begann ich eine Spur zu forsch, aber ich bin nun einmal keine Freundin langen Drumherumgeredes.
Seine Reaktion bestand in einem einsamen »Aha«, was nicht gerade ermutigend klang.
»Es ist möglicherweise wichtig«, schob ich leicht gereizt nach.
»Natürlich«, meinte er völlig emotionslos. Irgendetwas stimmte hier ganz entschieden nicht. Egal. Ich hatte die Sache angefangen, jetzt brachte ich sie auch zu Ende. Also holte ich tief Luft und erzählte ihm von dem Überfall auf mich in Dänemark. Er reagierte mit keinem Mucks, was ich nicht sehr nett fand. Anschließend teilte ich ihm kühl mit, dass Gretas Mutter vorgestern gestorben sei, und zwar für alle völlig überraschend. Dass die alte Frau kurz vor ihrem Tod noch
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