DrachenHatz
schließlich das Thema. Ich sah ihm an, dass er ehrlich neugierig war, wie ich das Problem lösen würde. Ich fand das gar nicht so schwierig.
»Diebe treiben in der Gegend um Bokau ihr Unwesen«, verkündete ich mit dumpfer Stimme. Nirwana wackelte erschrocken mit dem rechten Ohr. »Ganz gemeine Diebe, vor denen jeder unbescholtene Bürger dringlichst gewarnt werden muss.«
Johannes lachte leise. »Du als Privatdetektivin hast da natürlich das Ohr am Puls der Zeit oder wie das irgendwann mal hieß.«
»TV-Meier«, gab ich grinsend zurück. »Keine Ahnung, was der uns sagen wollte. Aber Insiderwissen ist immer Gold wert.«
Bettina und Rolf waren zu Hause und sahen – nicht fern. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht völlig verblüfft auf die dunkle Mattscheibe zu starren. Es schien mir jedoch nicht gänzlich zu gelingen, denn Rolf sagte bekümmert in meine Richtung: »Er ist kaputt. Mitten in dieser Dokusoap über das Reinmachen, die wir so gern sehen. Bettina und ich wollten eben los, um Ersatz zu besorgen.«
»Da solltet ihr die Türen aber sorgfältig abschließen«, nahm Johannes das Stichwort elegant auf. »Deshalb sind wir hier.«
»In Bokau treiben nämlich seit Neuestem Diebe und Einbrecher ihr Unwesen. Da kann man gar nicht vorsichtig genug sein«, ergänzte ich flink und fixierte Rolf bei meinen Worten. Sollte dieser Zwerg doch ruhig ahnen, dass etwas im Busch war. Und in der Tat, das Herzchen warf seiner Frau einen unsicheren Blick zu.
»Davon habe ich gehört«, entgegnete Bettina kühl.
»Von dem geklauten Holz aber nicht«, gab ich direkt zurück.
»Holz? Aus den Wohnungen?« Sie klang überrascht, was ich ihr nicht verdenken konnte.
»Natürlich nicht«, versetzte ich mit Nachdruck, »aber wer zum Diebstahl neigt, fängt normalerweise mit so einer leichten Übung an.«
»Hanna weiß da Bescheid«, assistierte Johannes treuherzig. »Sie ist Privatdetektivin.«
»Ja, das sagtest du bereits.« Bettina verzog keine Miene, während sich auf Rolfs Oberlippe zu meinem Entzücken ein unappetitlicher Schweißfilm bildete.
Ach nee! Hatte ich es doch gewusst. Der Mann war genauso schuldig wie Greta. Gut gemacht, Hemlokk! Jetzt galt es nur noch, unauffällig an die Wanze heranzukommen. Johannes sollte die beiden irgendwie ablenken. Bislang stand er allerdings völlig nutzlos in der Gegend herum und reagierte nicht auf meine mimischen Zeichen. Verdammt, alles musste man selbst machen! »Es ist doch immer wieder überwältigend, nicht?«, schwärmte ich also enthusiasmiert und schob mich dabei unauffällig an das Fenster heran, neben dem das Regal stand.
»Wenn du die Aussicht meinst, die kennst du doch«, bemerkte Bettina misstrauisch und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
Endlich erwachte Johannes aus seinem Tiefschlaf. »Ich könnte einen Kaffee gebrauchen!«, rief er eine Spur zu laut. »Ich bin heute den ganzen Tag noch nicht richtig wach geworden. Wenn es euch also nicht allzu viel Umstände bereitet …«
Bettina zögerte, bis ihr Gatte sagte: »Das ist eine gute Idee. Hanna, für Sie ebenfalls?«
»Immer«, stimmte ich herzlich zu.
Bettina verschwand mit grimmigem Gesicht, und ich schob mich noch ein Stück näher an Regal und Vase heran, während sich die beiden Männer umständlich setzten. Ich hätte fast laut geschrien, denn Johannes, dieser Kretin, achtete nicht darauf, dass unser Gastgeber seinen Hintern so platzierte, dass er nun genau in meine Richtung schaute. Jetzt schwieg mein tüffeliger Watson Rolf zu allem Überfluss auch noch an, statt ihn auf der Stelle in ein lautes, intensives Gespräch zu verwickeln. Ach Johannes. Er war zweifellos ein guter Kerl, aber bestimmt nicht zum Privatdetektiv geboren.
Ich überlegte fieberhaft, denn allzu lange würde Bettina nicht mehr in der Küche zubringen, und vier Augen sahen mehr als zwei. »Huch!«, rief ich schließlich überrascht. »Wer ist das denn?«
Die Jungs erhoben sich wie ein Mann und traten neben mich ans Fenster.
»Wer?«, fragte Rolf.
»Wo?«, fragte Johannes.
»Er verschwand eben hinter der Tischlerei«, flötete ich. »Lange Beine, Strohhut, kurze Hose und ein orange-grüner Ringelpulli. – Kennst du den?«, wandte ich mich unverändert laut an Johannes, zischte ihm aber anschließend unser zuvor verabredetes Stichwort »Colgate« ins Ohr und gab ihm gleichzeitig gestenreich zu verstehen, dass er gefälligst auf die Sitzordnung achten solle. In aller Bescheidenheit: Es war eine glatte Meisterleistung
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