Drachenkaiser
unebene Oberfläche, schnupperte daran und freute sich auf den Geschmack, den er gleich am Gaumen kosten durfte. Ausgezeichnete Qualität! Er musste dringend in Erfahrung bringen, ob es in Russland etwas Vergleichbares zu diesen unterirdischen Schätzen gab. Kaviar überließ er gern den Menschen.
12. Januar 1927, München, Königreich Bayern, Deutsches Kaiserreich
Silena sah zu Brieuc, der den schwarzen Elite S18 zur Hofeinfahrt steuerte, anhielt und den beiden Georgswächtern seinen Ausweis zeigte.
Sie salutierten und öffneten das Tor. Einer der Männer in den dunklen Mänteln sah sie lange an, als versuche er, sich an ihre Züge zu erinnern. Sie hatte ihn genau erkannt: Es war der Georgswächter, den sie in der Nacht bei ihrem Einbruch niedergeschlagen und bestohlen hatte.
Heute fuhr sie hochoffiziell mit Fayence und Brieuc in das umgelagerte Archiv des Officiums, ohne ihre Drachenheiligenuniform angelegt zu haben. Der Ägypter trug einen hellen Anzug, sie ein Kleid mit einfachem Streifenmuster und einen eleganten Hut. Brieuc hatte sich sein protziges Auftreten in Ausgehuniform und Pelzkragenmantel dagegen nicht nehmen lassen.
»Was haben Sie Prokop erzählt, dass er mich hineinlässt?« Silena erblickte den Gebäudekomplex zum ersten Mal bei Tageslicht. Er war im Stil der Gründerzeit erbaut. Reinen Jugendstil sah man selten, an den meisten Gebäuden hatte er sich mit Elementen der Gotik verbunden. Abgeplatzte Stellen in der Fassade und Löcher rund um ein Fenster erinnerten an ihre Verfolgung und dass die Männer nach ihr geschossen hatten. Es hätte auch anders ausgehen können. Der heilige Georg war mit mir.
»Prokop weiß nichts davon«, sagte Brieuc und parkte den Wagen.
»Großmeister Brieuc, Sie machen gerade Ihrem Namen als bester Insubordinärer im Officium alle Ehre!«, rief sie grinsend.
»Wir bekämpfen das Böse. Das wirklich Böse, Frau Zadornova. Da habe ich keine Zeit für kleinliche Paragrafenreiterei und persönliche Ressentiments des Priors Ihnen gegenüber.« Er richtete seine verwegenen braunen Locken und stieg aus. Fayence und Silena folgten ihm zum Haupteingang, der zwanzig Meter entfernt von der Tür lag, durch die sie eingedrungen war. »Sie fragten mich nach Aktivitäten der Drachenfreunde. Ich nehme sie beide mit in die entsprechende Abteilung und lasse Sie selbst suchen. Sie verfügen bestimmt über mehr Wissen als ich.« Mit diesen Worten öffnete er ihnen die Tür.
Silena ging neben ihm her, Fayence marschierte hinter ihnen. Er hatte nicht mehr als drei Worte mit ihr gewechselt, seitdem sie ihn in der Höhle niedergeschlagen hatte. Dabei wüsste sie zu gern, was es mit seinem Verhalten auf sich hatte. Ist er beleidigt, wütend?
»Ziehen Sie beide das an.« Brieuc zog Georgswächterarmbinden aus der Tasche und reichte sie ihnen.
Nach einigen Metern Gang und zwei Treppenhäusern blieb Brieuc vor einer Eisentür stehen, in der ein Guckfenster installiert war; der Schlitz darunter sah verdächtig nach Schießscharte aus. Er klopfte.
Und wirklich klappte der Schlitz auf, die Doppelmündung einer Schrotflinte erschien, und dann wurde der Schieber darüber geöffnet. Ein Frauengesicht in einer Gasmaske tauchte auf.
Brieuc zeigte ihr seinen Ausweis und nannte ein Codewort, woraufhin zuerst die Frau und danach die Waffe verschwanden. Es klickte mehrmals, bis der Eingang sich schließlich öffnete. Silena schätzte die Dicke der Stahltür auf eine halbe Armlänge.
Auf der Schwelle stand die Wächterin, die einen schwarzen Rock, ein weißes Hemd und einen grauen Rüschenschal um den Hals trug; sie zog die Gasmaske ab. »Willkommen, Großmeister Brieuc.«
»Einen guten Tag, Gerthild«, grüßte er freundlich. »Meine Freunde und ich suchen etwas.
Gerthild, deren Wasserwelle bombenfest saß, musterte Silena, dann Fayence. »Es sind zwar Georgswächter, aber hier haben nur direkte Mitglieder des Officiums Zutritt, Großmeister«, sagte sie bedauernd.
»Bitte, liebe Gerthild«, sagte Brieuc und zeigte sein Eroberergrinsen. »Ich bin zu faul zum Suchen.«
Die Blondine rang mit sich. »Prior Prokop hat uns nach dem Überfall neulich angewiesen …«
»Und genau darum geht es«, mischte sich Silena ein. »Der Großmeister lässt uns nach den Verstecken von Drachenfreunden und deren Aktivitäten suchen.«
Gerthild hob die hellen Augenbrauen. »Seit wann ist es Aufgabe eines Großmeisters, nach denen zu suchen? Die Abwehr kümmert sich darum.«
»Es ist etwas Persönliches«,
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