Drachenkaiser
Arbeitszimmer!«, rief sie ihm nach. »Ich erwarte Sie dort.« Silena machte kehrt, nahm ihre Pistole wieder an sich und stürmte geradewegs in den Raum zurück.
Weiß und Müller arbeiteten noch immer an den Regalen, aber sie erschraken, als sie die Drachenheilige vor sich sahen. Sie hoben beide die Hände, in denen sie Blätter hielten.
Silena zeigte auf die Koffer. »Was hat es mit diesen Unterlagen auf sich?«
Sie wechselten schnelle Blicke.
Sie sind unsicher. Und garantiert nicht bereit, für diese Sache zu sterben. »Voss ist tot, wie Sie sich denken können.« Sie visierte Müller an. »Sie können Ihrem Chef folgen oder mir ein paar Fragen beantworten.«
»Sag kein Wort«, zischte Weiß seinen Kollegen an.
Silena schoss ihm daraufhin in den Oberschenkel. Mit einem Schrei fiel er um und hielt sich stöhnend die Wunde. »Lassen Sie Ihren Kollegen reden, wenn er möchte. Zu Ihnen komme ich noch.« Sie sah Müller streng an und richtete die Mündung auf ihn. »Was hat Voss vor?«
Die große Standuhr verkündete mit vier dröhnenden, satten Schlägen, dass die volle Stunde erreicht war, danach folgten sieben hellere.
In das Verklingen des letzten Tons hinein schrillte das mittlere Telefon: Wilhelm Voss wollte seinen Sohn sprechen.
13. Januar, York, Grafschaft Yorkshire, im Nordosten des Königreichs Großbritannien
Ich… ich fühle keine Schmerzen. Ealwhina stemmte sich in die Höhe und sah über die steinerne Brüstung auf den Platz vor dem Minster, wo Menschen aus verschiedenen Richtungen angelaufen kamen. Erneut rannten Polizisten herbei. Das musikalisch schlichte Konzert der Zweitonpfeifen war in dieser Höhe nur leise zu hören.
Eine breite, dunkle Blutspur führte vom Schieferdach bis zur Kante und kennzeichnete die Strecke, die der Chinese nach seinem ersten Aufschlag gerollt war. Wenn er das überlebt hat, wird ihm der zweite Sturz das Leben gekostet haben.
Ealwhina ließ den Blick über York schweifen und wartete darauf, dass sich die Silhouetten der Geister und Spukgestalten zeigten. Sie war sich nicht sicher, ob ihr die Befreiung in gleichem Maße gelungen war wie am Trigalv. Möglicherweise hatte sie den Auszug der verlorenen Seelen verpasst, weil sie zu lange gebraucht hatte, um sich von der Attacke zu erholen.
Sie senkte den Blick auf ihre leeren Hände. Die Kugel! Er hat sie mit in die Tiefe gerissen. Sie eilte zur Luke. Ich muss das Artefakt vernichten. Es hat seinen Dienst getan und soll keinen weiteren tun.
Bevor sie den Ausstieg erreichte, erschien die schwarze Helmspitze eines Bobbies im viereckigen Loch. Er erklomm die letzten Sprossen und kletterte hinaus, ein betagter Kollege folgte ihm.
Sie zögerte, war unschlüssig. Der einzige Ausweg war ihr versperrt. Sei eine gute Schauspielerin. Du bist noch zu schwach, um dich mit ihnen anzulegen. »Guten Tag, Gentlemen«, sagte Ealwhina. »Ich bin äußerst…«
Der Rechte hob den Arm und zeigte mit dem Schlagstock auf sie, die Blicke gingen jedoch durch sie hindurch. »By Jove! Da liegt eine!«
»Zehn zu eins, dass sie tot ist«, gab der andere Polizist zurück und ging direkt auf sie zu.
»Entschuldigen Sie?«, rief sie. »Gentlemen, ich …«
Der Mann beachtete sie nicht – und marschierte durch sie hindurch!
Ealwhina hatte die Luft angehalten und drehte sich verwirrt um. Ihr Geister von… Sie sah sich selbst auf dem Boden hocken, die Beine ausgestreckt und den Rücken gegen die Brüstung gelehnt. Aus ihrem Oberkörper lief das Blut aus vielen Löchern und sickerte über die Steinplatten, ihr Kopf war zur Seite geneigt.
Ich bin… tot!? Sie schaute an sich herab. Oh mein Gott. Ich bin eine von ihnen geworden! Wie ist… Aber wie? War an seinen Geschossen etwas Besonderes?, dachte sie verzweifelt.
»Tot«, sagte der Bobby, der neben ihrer Leiche stand und ihren Puls am Hals gesucht hatte.
»Ist das ein Wunder, bei der Menge an Einschusslöchern?« Der zweite Polizist betrachtete ihr Gesicht. »Sag mal, Ruthington, sieht sie nicht aus wie die junge Lady Snickelway?«
»Du hast recht!« Der Ältere pfiff durch die Zähne. »Aber sie hieß nicht Snickelway, und eine echte Lady war sie schon mal gar nicht. Ihr Name ist Molly Smith. Sie war eine Hure, die im Golden Fleece auf ihre Freier wartete, hat mir Bishop erzählt. Eine schillernde Frau, immer in den Snickelways unterwegs. Bis Seine Lordschaff kam und sie heiratete. Sie konnte sich noch so sehr Lady Blackburn nennen, beim Volk war sie Lady Snickelway. Man hat sie
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