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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Verletzungen nicht gezeigt. Das wollte man den Lesern doch nicht zumuten.
    Da wäre ich gern dabei gewesen. Es hätte mit Sicherheit weniger Verluste gegeben.
    In derselben Ausgabe stand der nicht minder große Bericht über die Entführung des Großmeisters Brieuc mitten aus einem Theatersaal heraus.
    Brieuc hatte in der Ehrenloge gesessen, als ihn mehrere Maskierte mit vorgehaltener Waffe zum Mitkommen aufforderten. Da er sich zunächst geweigert hatte, war er niedergeschlagen und weggeschleppt worden. Silena grinste. Das wird ihm nicht gefallen haben. Ich hoffe mal, dass sich Zhiao bei ihm entschuldigt hat. Ein Großaufgebot an Georgswächtern, Polizei und Gendarmerie hatten ihn trotz des schnellen Eingreifens nicht auffinden können. Zwei Zeugen hatten behauptet, dass die Entführer Chinesisch gesprochen hätten, und natürlich spekulierte der Verfasser des Artikels: »Strecken sich die Krallen des Drachenkaisers nach Europa aus? Gott schütze uns vor der Gelben Gefahr!«
    Gut, dass er die Wahrheit nicht kennt. Sie hatte Bedenken, dass Chinesen oder allgemein Asiaten, die in Europa lebten, bald unter Generalverdacht gestellt werden würden. Der Mob ist unberechenbar. Je schneller sie die Sache zu einem Erfolg geführt hatte, desto weniger Unschuldige mussten sterben.
    Sie legte die Zeitung beiseite. Die Gedanken an die Freundin zogen unweigerlich die Sorgen um Grigorij nach sich. Da Silena offiziell als verschollen galt, bezweifelte sie, dass die Detektei Wimsey, Bunter & Vane ihre Recherchen fortführte. Zwar hatten die privaten Ermittler viel Geld im Voraus für ihre Dienste erhalten, aber fühlten sie sich auch einer Verschollenen verpflichtet? Es sind Briten. Sie sind korrekt genug, um ihre Arbeit fortzuführen.
    Silena sah auf die Notizen, die sie sich gemacht hatte. Notizen zum Wesen der asiatischen Drachen und deren Wahrnehmung der Bevölkerung, die so gar nichts mit dem europäischen Verständnis gemeinsam hatten. Doch sie konnte sich nicht auf die Zeilen konzentrieren.
    Wenn ich doch nur wüsste, wie weit ihre Nachforschungen gediehen sind! Zhiao weigerte sich nach wie vor, sie mit Wimsey, Bunter & Vane in Kontakt treten zu lassen. Bei aller Wichtigkeit der kommenden Mission hätte sie zu gern Sicherheit über Grigorijs Schicksal gehabt. Nein, sie wollte hören, dass ihr Gatte noch lebte. Alles andere würde sich regeln lassen.
    In letzter Zeit schob sich das Gesicht des Ägypters automatisch in ihr Denken, sobald sie sich mit Grigorij beschäftigte. Silena sagte sich, dass es deswegen geschah, weil er in der Fremde ihr einziger Beistand und Freund war. Seit zwei Wochen duzten sie sich.
    Um zu verhindern, dass sie zu sehr ins Grübeln und nutzlose Ängste versank, nahm sie ihre Notizen zur Hand.
    Die hiesigen Drachen wurden in Pagoden und Tempeln verehrt, es gab diese reich verzierten und aufwendig dekorierten Gebäude überall im Land. Da sie nach der Vorstellung der Chinesen das Wetter beeinflussten, konnte man sie beispielsweise um Regen bitten, indem man eine Opfergabe in einen Fluss warf. Silena erinnerte sich, dass jeder Fluss und jeder See einen Drachen als Schutzherrn besaß. Es ging sogar so weit, dass Frauen geopfert wurden, was sie sehr an mittelalterliche europäische Praktiken erinnerte. Das könnte den Drachenfreunden so passen, die alten Zeiten wiederauflehen zu lassen.
    Was ihr arge Probleme bereitete, war die komplexe Mythologie um die Lungs, die verschiedenen Tiereigenschaften, die ihnen zugesprochen wurden, Dinge wie Yin und Yang, die sich in ihnen widerspiegelten. Zhiao hatte es ihr zu erklären versucht, doch erschien es ihr zu kompliziert und auch nicht notwendig für ihre Mission.
    Sie blätterte weiter.
    Hatte die Farbe des Schuppenkleids bei den westlichen Bestien selten etwas zu sagen, gehorchte sie bei den Asiaten einem strengen Kodex. Gelbe Schuppen besaßen die meisten, sie wurden mit den letzten Sommermonaten in Verbindung gebracht. Blau und grün gefärbte standen für den Frühling, rote für die meisten Sommermonate und Stürme, und die schwarzen kamen ins Spiel, wenn es um verheerende Stürme und Hitzeperioden ging. Die weißen standen für den Herbst. Die Kopplung an Naturgewalten sprach für die Selbstverständlichkeit, mit denen Lungs zum alltäglichen Leben gehörten.
    Silena überflog ihre Mitschriften und war sich in einem immer klarer: Der Westen und der Osten werden sich, was die Geschuppten angeht, niemals einig werden.
    Zhiao hatte ihnen nicht sagen können,

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