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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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betrachtete die Zeichnungen der stattlichsten Bauwerke, die zudem für eine Europäerin wie sie ungewöhnliche Namen trugen: Palast der Himmlischen Reinheit, Halle der Berührung von Himmel und Erde, Palast der Irdischen Ruhe; sogar einen Fastenpalast und die Halle zur Bildung der Gefühle hatten sich die Drachenkaiser errichtet. Jeder Palastkomplex der Alten Welt wirkte dagegen lächerlich, sogar der Vatikan konnte damit nicht konkurrieren.
    Halle zur Bildung der Gefühle, dachte sie und hob die Augen, um Ahmat zu betrachten. Ich sollte sie heimlich besuchen, um zu erkunden, was mit mir geschieht. Zur Ablenkung ging sie den Aufbau der Verbotenen Stadt durch, so weit sie ihn bereits verinnerlicht hatte.
    Von irgendwoher erklang das Lachen der drei Drachenheiligen, das Klackern von Würfeln mischte sich darunter.
    Auch wenn sie ein gemeinsames Ziel verband, machten Brieuc, Donatus und Ademar keinen Hehl daraus, dass sie Abstand zu Fayence hielten. Sie redeten in ihrem Beisein nur von »dem Araber«. Glaubten sie sich ungehört, fielen herabwürdigende Bezeichnungen für ihn und jeden Chinesen, die dem überheblichen Denken des schlimmsten Kolonialismus entsprangen.
    Wie kann man sich nur für etwas Besseres halten? Wir bluten alle rot. Als ob Hautfarbe oder Sprache oder Kulturen etwas über die Wertigkeit eines Menschen besagten. Silena hatte es aufgegeben, einen Sinneswandel bei den drei Männern herbeiführen zu wollen.
    Wenigstens verhielten sie sich zahm, wenn sie in der Nähe war. Ein kleiner Fortschritt oder ein Zugeständnis, um an der großen, ruhmreichen Aufgabe weiterhin teilnehmen zu dürfen. Ademar, Donatus und Brieuc hatten verstanden, dass Zhiao und seine Leute ihnen nur deswegen gehorchten, weil Silena zu ihnen gehörte.
    Ahmat legte die Bilder zur Seite, nahm sich eine Tasse Ingwertee und schaute in den Hof. »Ich mache mir Sorgen.«
    »Weswegen?«
    »Nitokris und Nagib. Sie haben mir keinerlei Nachricht zukommen lassen«, sagte er. »Zhiao hat sogar bei ihnen klingeln lassen und alles versucht, aber seine Leute konnten sie nicht finden. Niemand hat sie in Berlin gesehen.«
    »Sie werden untergetaucht sein, um dich nicht zu gefährden«, sagte sie in dem Versuch, seine Besorgnis zu zerstreuen.
    »Sie wissen ja nichts. Zhiao hat mich in einem ersten Brief ihnen nur schreiben lassen, dass es mir gut geht und sie dem Überbringer des Briefes meine Ausrüstung geben sollten.« Er rieb über seine Fingernägel. »Das gefällt mir nicht.«
    Silena berührte ihn mitfühlend an der Schulter und sah sich selbst verwundert zu, wie sie ihm mit den Fingern über die Wange strich. Was tust du da? »Ich bin sicher, dass es ihnen gut geht«, bekräftigte sie.
    Er seufzte und schwieg lange Zeit. »Wie fühlst du dich?«, fragte er dann.
    Sie legte eine Hand auf den leicht angeschwollenen Bauch. »Die Schwangerschaft schreitet voran, aber die Übelkeit hat nachgelassen. Ich könnte Drachenherzen mit der bloßen Hand herausreißen.«
    »Das ist schön«, sagte er lächelnd. »Aber das meinte ich nicht.«
    »Sondern?« Silena senkte den Blick. Er wird mir doch nicht angemerkt haben, wie es in mir aussieht? Sie errötete leicht. Was tue ich, wenn er mich auf meine Gefühle für ihn anspricht?
    »Unsere Aufgabe. Ich war die ganze Zeit davon überzeugt, dass wir es schaffen und den Drachenkaiser bezwingen können.« Ahmat goss ihr ebenfalls von dem Ingwertee ein und reichte ihr die Tasse.
    »Zweifel habe ich keine.« Sie prostete ihm erleichtert zu. Aber ihre Reaktion hatte ihr gezeigt, wie unsicher sie mit ihren eigenen Empfindungen war. Es wäre so viel einfacher, wenn Grigorij hier wäre. »Du solltest auch keine haben.«
    »Hast du dich genauer bei unseren Gastgebern umgeschaut?«, erkundigte er sich ruhig.
    Sie wusste sofort, worauf er hinauswollte. »Die Drachenmotive, ja. Ich habe Zhiao darauf angesprochen, und er erklärte mir, dass sie diese zur Tarnung aufhängen müssten. Jeder in China verehrt Drachen, und wer keine Bilder davon aufhängt, macht sich per se verdächtig. Das könnten sie sich nicht leisten.« Sie betrachtete seine warmen braunen Augen und fühlte eine innere Ruhe, die sich als Antwort auf seine Gegenwart bei ihr einstellte.
    Er tat ihr gut. Doch sie versuchte, sich davor zu hüten, ihn als Ersatz für Grigorij zu betrachten. Zuneigung und Freundschaft mussten Zuneigung und Freundschaft bleiben, auch wenn sie meinte, dass er diesen Wall mehr und mehr durchstieß, ohne dass er irgendetwas tat oder

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