Drachenkaiser
sagte der Großmeister herablassend und zupfte die Handschuhe von den Fingern.
»Guten Tag, Marie«, grüßte Silena freundlich zurück. Ihre Maskerade hatte die junge Frau nicht täuschen können. Sie war es gewesen, die ihnen vor beinahe zwei Jahren einen entscheidenden Hinweis auf der Suche nach dem Weltenstein gegeben hatte. »Sie sehen gut aus. Das freut mich.«
Marie verstand offenkundig die Welt nicht mehr und sah zwischen ihr und dem ungeduldig werdenden Brieuc hin und her. »Aber … die Zeitungen schrieben über Ihren Tod!«
»Das Wenigste, was die Schmierfinken drucken, stimmt«, sagte der Großmeister unfreundlich. »Behalten Sie für sich, was Sie gesehen haben. Bringen Sie mir einen Kaffee, dazu einen Weinbrand. Den besten, verstanden?« Sie tat einen Knicks, warf Silena einen verstohlenen Blick zu und verschwand sichtlich irritiert.
Brieuc lehnte sich vor. »Nun zu Ihnen, Großmeisterin.«
»Nun zu mir.«, wiederholte sie. »Sie sind mir ein wenig zu forsch, Großmeister. Das haben weder Marie noch ich verdient.«
Er verzog den Mund. »Verzeihen Sie. Zu Ihnen wollte ich es gewiss nicht sein. Wie ich Ihnen schrieb: Das ganze Officium weiß, dass Sie gesund und munter sind. Sie werden sich vorstellen können, dass Kattla und Prokop Ihnen jede erdenkliche Krankheit an den Hals wünschen.«
»Und wie wollen Sie denen meine Rückkehr schmackhaft machen, wenn sie mich inbrünstig hassen?« Silena nahm mit der Linken einen Keks und biss ab, die Rechte spielte mit der Münze. Ich wette, es kostet ihn all seine Mühe, die gewohnte Überheblichkeit mir gegenüber nicht zu zeigen.
Brieuc lächelte, und es wirkte tatsächlich etwas gequält. »Eine echte Heilige täte unserem Ansehen gut. Kattla musste bereits auf den bayerischen Orden des heiligen Georg zurückgreifen, damit wir genügend Leute haben.«
Silena staunte. »Sie meinen diesen Wohltätigkeitsverein, den König Ludwig der Zweite zu neuen Ehren gebracht hatte?«
»Das mit der Wohltätigkeit hat sich größtenteils erledigt. Ludwig der Dritte führt den Orden fort, steht ihm als Großmeister vor und hat ihn in den zwei Jahren nach Ihrem Ausscheiden nahe an das Officium gebracht«, klärte Brieuc sie auf. »Aus der Organisation ist ein milizionärer Arm geworden, der sogar Drachentötungen vornehmen darf.« Er nahm ein Blatt Papier aus der Tasche, auf dem Zahlen geschrieben standen. »Es gibt noch einen Grund. Wir haben im gleichen Zeitraum genau einunddreißig Drachen getötet, darunter lediglich vier größere Exemplare. Dazu kommen nochmals so viele, die durch Drachenjägerabschaum zur Strecke gebracht wurden.«
»Drachenjägerabschaum wie ich«, fügte sie hinzu.
Brieuc überhörte es lieber, doch sein kurzes Zucken hatte sie sehr wohl bemerkt. »Darunter befand sich nicht ein einziger Flugdrache, obgleich uns mehrere Sichtungen vorliegen. Unsere Luftschiffe sind aufgestiegen, aber die Teufel sind zu gewitzt. Sie entkommen unseren Zeppelinen.« Er sah nach Marie. »Wo bleibt mein Weinbrand?«, rief er fast schon zornig. »Ich warte nicht gerne. Bringen Sie mir besser gleich zwei.«
Zweiundsechzig Stück. Silena überschlug, welche Quoten sie gewöhnlich erreicht hatte. So viele hatten wir früher in drei Monaten. »Abgesehen davon ist der Rückgang der Drachenpopulation doch ein guter Erfolg«, sagte sie nachdenklich. »Das Officium scheint die Bullen dezimiert zu haben. Die Fortpflanzung gerät ins Stocken.«
»Aber was bringt es uns, wenn dafür die Zahl der fliegenden Geschuppten steigt? Sie bilden eine erhöhte Gefahr für den Luftverkehr, was auch Ihrem Mann zu schaffen machen wird. Luftschiffe sind leichte Beute.«
»Nicht seine«, erwiderte sie. »Wir sind vorbereitet und haben verborgene Geschützkanzeln eingebaut.«
»Andere werden weniger Glück haben.« Brieuc nahm seine Bestellung entgegen. »Na, endlich«, fuhr er Marie an und stürzte den ersten Weinbrand hinunter. Er stellte das leere Glas ab und nahm sich das zweite, während er Marie wegscheuchte.
»Sie wirken sehr aufgeregt«, sagte Silena langsam.
»Ich bin beunruhigt, und das wiederum lässt mich fahrig und aufbrausend werden. Wir brauchen Sie, Silena. Ihre Flugkunst, um die Flugdrachen auszurotten und den Triumph perfekt zu machen.« Die Augen erhielten einen fanatischen Glanz. »Das Officium wird mit Ihrer Hilfe Europa vom Bösen befreien! Welch ein Sieg!«
»Und ich weiß immer noch nicht, wie Sie Kattla und Prokop dazu bringen werden, mich
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