Drachenkaiser
doch nur ihrer eigenen Erhöhung. Auf einmal tat es ihr sehr leid, dass sie Grigorij überhaupt vor diese alberne Entscheidung gestellt hatte.
Brieuc schüttelte den Kopf, die Locken wippten vor der Stirn. »Wie steht es um Ihre Entscheidung, Großmeisterin? Wem darf ich melden, dass Sie auf seiner Seite sind: Prokop oder Kattla?«
»Wen ziehen Sie vor?«
»Keinen von beiden. Mir ist es gleich. Eine klare Linie, das will ich. Ob ich in Amerika Drachen töte oder an der Grenze zu China, spielt keine Rolle.« Brieuc sah ihr fest in die Augen. »Ihre Wahl?«
Sie bekam den Tee gebracht und nickte der sehr bleichen Marie aufmunternd zu, deren Hände zitterten, als sie die Tasse abstellte. Das arme Ding. »Großmeister, ich bleibe bei meinen Skyguards«, sagte sie ruhig.
Seine Augen blitzten böse. Er wirkte auf sie, als wolle er über den Tisch hechten und sie gleichzeitig erschießen und erstechen. »Tun Sie das nicht, Silena. Sie gehören zum Officium, wie Ihre Ahnen zu uns gehörten«, flüsterte er beschwörend und drohend zugleich.
»Entscheiden Sie sich für Prokop oder Kattla, aber kehren Sie zurück! Ich flehe Sie an, beim heiligen Georg, Ihrem Urahnen!« Sein Gesicht verzerrte sich. Er war mit seiner Freundlichkeit am Ende.
»Großmeister, ich will es nicht«, entgegnete sie. Ich hätte niemals nach München kommen sollen. Silena erhob sich. »Ich wünsche Ihnen…«
Brieuc erhob sich, dabei kippte er den Stuhl nach hinten um. »Großmeisterin, tun Sie’s nicht«, wiederholte er. »Lassen Sie uns nicht im Stich! Wir sind nur noch sieben und eine Handvoll hässlicher Gargoyles …«
»… einen schönen Tag«, vollendete sie ihren Satz und ging an ihm vorbei. Ich Närrin! Weder er noch das Officium haben sich verändert. Sie drückte Marie vier Mark in die Hand. »Zwei sind für Sie, die anderen für die Veteranen auf dem Platz. Seien Sie so gut und bringen Sie denen das Geld.« Sie verließ das Café und warf dem Officium-Gebäude einen letzten Blick zu. Seht, wie ihr damit klarkommt. Ich kümmere mich auf meine Weise um die Teufel und werde mich nicht euren vorgetäuschten Idealen beugen.
Silena stieg in ein Taxi. »Zum Flugplatz.« Sie wollte zu Hause sein, wenn ihr Gemahl von seiner Reise zurückkehrte. Inzwischen bereute sie es bitter, ihn nicht begleitet zu haben.
Bevor das Automobil anfuhr, klopfte es plötzlich gegen die Scheibe. Brieuc stand da, das Geschenk in den Händen. Zuerst wollte sie es nicht annehmen, doch er öffnete die Beifahrertür und warf es beinahe achtlos hinein. »Kommen Sie zur Besinnung!«
»Niemals war ich so bei Sinnen wie in diesem Moment.« Seinen Blick, der voller Verachtung und Vorwürfe war, konterte sie mit einem überlegenen Kopfschütteln. »Fahren Sie«, wies sie den Fahrer an.
Erst als sie außer Sichtweite waren, schaute sie in das Paket. Meine alten Uniformen!
Sie roch das Waschmittel, die Stärke, strich über den Stoff und drückte die Ehrenschärpe.
Vorbei. Sie beschloss, die Sachen vor Grigorijs Augen zu verbrennen.
»Und?« Erzbischof Kattla stand an dem großen Fenster seines Büros und sah Großmeister Brieuc mit einer Mischung aus Ungeduld und Unwohlsein an. Er trug sein schwarzes Kardinalsgewand mit dem weißen Spitzenkragen. In den vergangenen Monaten hatte er sich einen grauen kurzen Bart stehen lassen, der den Zweiundsechzigjährigen älter wirken ließ. Älter und härter. Das kurze Haupthaar hatte sich dagegen gelichtet. »Was hat sie zu Ihnen gesagt? Hat sie sich auf meine Seite geschlagen?«
Brieuc zuckte mit den Schultern. »Sie macht weiter wie bisher, Exzellenz. Als Anastasia Zadornova. Großmeisterin Silena scheint tot zu bleiben.«
Prior Prokop, der es sich in Kattlas Ohrensessel bequem gemacht hatte, sah zum Erzbischof. »Exzellenz, so haben wir beide keinerlei Nutzen von ihr.« Er trug die weiße Ausgehuniform, die ihm ausgezeichnet stand. Im Gegensatz zu Brieuc verfügte der ältere Drachentöter über natürliches Charisma. »Nutzloses bringt keinem etwas.«
Widerwillig nickte Kattla. »Und die Konsequenzen daraus kennen wir.« Er deutete auf Brieuc, danach zur Tür. »Sie können gehen. Ich möchte Sie nicht zwingen, bei einem Gespräch anwesend zu sein, das Ihre Moral und Ihr Gewissen auf die Probe stellt.«
Der Großmeister salutierte und verließ den Raum.
Prokop legte die Finger zusammen und starrte auf den Kamin. Kattla sah durch die Scheibe auf den Marienplatz, dann zu den Figuren am Rathaus gegenüber. Beide Männer
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