Drachenkaiser
Wendigkeit; Bewaffnung fehlte gänzlich. Sie musste zeigen, was sie zu einer weltweiten Ausnahmepilotin machte.
Silena fing die Macchi auf dreißig Metern über dem Wasser ab und sah vierzig Segeleinmaster auf Backbord. Eine Regatta ist ein guter Ort, um sich zu verbergen. Den Fahnen an den Hecks der Schiffe nach zu urteilen, waren es britische Schiffe.
Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass zwei Spads ihr folgten, die dritte blieb auf gut dreihundert Metern über ihnen und schien sie überholen zu wollen, um von vorne anzugreifen. »Dover Kanalüberwachung«, sprach sie ins Funkgerät, »Dover Kanalüberwachung, kommen!«
In ihrem Kopfhörer knackte es. »Hier Dover Kanalüberwachung, sprechen Sie.«
»Hier ist Anastasia Zadornova von der Drachenjäger-Einheit Skyguards. Ich werde irrtümlich von drei Spads der RAF angegriffen. Können Sie denen Zeichen zumorsen oder etwas, was mich vor dem Abschuss bewahrt?«
Die Kanalüberwachung schwieg.
Silena sah rechts und links neben sich kleine Wasserfontänen aufspritzen, die immer weiter auf sie zuwanderten. Die Piloten schössen sich ein.
Mit einer ruckartigen Bewegung stellte sie die Macchi senkrecht, sodass ihre rechte Tragfläche beinahe die flachen Wellenkämme berührte, und fegte mitten ins Teilnehmerfeld der Regatta. Sie werden ja wohl nicht riskieren, ihre Landsleute versehentlich zu treffen. Ihre Maschine reagierte zäh; nur haarscharf raste sie am ersten Segler vorbei.
Die Spads verzichteten auf ein derart gewagtes Manöver, drosselten die Geschwindigkeit und setzten sich über die Schiffe.
Silena wollte es nicht glauben, als sie das stakkatohafte Tack-Tack-Tack der MGs schräg hinter sich hörte. Sie waren auf fünfzig Meter herangerückt und hörten gar nicht mehr auf zu schießen.
Die Schiffe vor ihr hatten plötzlich Löcher in den Segeln, in manche Oberdecks frästen die Salven regelrechte Linien. Splitter flogen umher, Seile wurden gekappt, Menschen fielen nieder. Silena konnte nicht sagen, ob sie tot oder verwundet waren.
Ich muss hier raus, sonst sterben Unschuldige. Sie zog die Macchi senkrecht nach oben, aus dem Beschuss, ließ sich zurückfallen und die Spads unter sich durchziehen.
Gegen euch brauche ich nicht mal Bordwaffen. Gleich einem Raubvogel stieß sie nun auf den rechten Angreifer herab, zielte mit dem Propeller auf das Höhenruder und ließ ihr Flugzeug kurz vor dem Zusammenprall nach links wegschmieren. Ihr Rad touchierte das Heck und riss Teile des Leitwerks ab.
Die Spad vibrierte unter dem Einschlag und verlor ihre stabile Flugbahn, geriet ins Kreiseln und senkte sich dem Meer entgegen. Sie zerschellte zwischen zwei Segelbooten, Dampf und Wasser stiegen auf.
Silena grinste böse. Pech. Der kurze Kontakt hatte ihr ausgereicht, einen Blick auf den Piloten werfen zu können, und was sie gesehen hatte, machte sie stutzig. Lange Haare sind bei der RAF nicht üblich. Schwarze Lederjacken noch viel weniger. Es musste sich aufgrund des Könnens und der Vorgehensweise der Angreifer um Kampfpiloten handeln, aber gehörten sie wirklich zur Luftwaffe? Was geht hier vor?
Sie sah die zweite Spad schräg über sich, die langsamer wurde. Offenbar wollte der Pilot sich überholen lassen, um sie von hinten abzuschießen. Den Gefallen tue ich dir sicherlich nicht. Sie gab Gas, der Motor dröhnte und sprühte schwarzes Öl aus zwei Löchern, das von der beschädigten Scheibe jedoch aufgefangen wurde. Lange würde es die Macchi nicht mehr machen.
Silena griff unter ihren Sitz, wühlte in der Notfalltasche, was wegen der Gurte und des Fallschirms nicht so einfach war. Sie zog die Signalpistole hervor, drehte sich nach hinten und hob den Arm. Nach knappem Zielen drückte sie den Abzug.
Eine weiße Spur aus Qualm hinter sich herziehend, jagte das Leuchtgeschoss in den Propeller des V8-Reihenmotors, den es daraufhin mit einer kleinen Explosion zerriss. Flammen schlugen aus dem Block, knatternd verging die Munition der Maschinengewehre, und die Spad stürzte ab.
Dieses Mal hatten die Regattateilnehmer weniger Glück, wie Silena im Spiegel sah. Der Doppeldecker raste durch einen Mast und warf das erste Boot um, brennend landete das Flugzeugwrack in einem weiteren Schiff und setzte es in Flammen. Auch wenn sie nicht direkt etwas dafür konnte, fühlte sie sich schuldig. Sie stieg auf eintausend Meter, um einen besseren Überblick zu bekommen. Wo ist die dritte Maschine?
Die Küste tauchte auf, die weißen Felsen leuchteten in der Sonne.
In
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