Drachenkaiser
Kriegsmarine meldete den Abschuss von der Festungsinsel Kronstadt aus. Es wurden Raketenvorrichtungen auf einem Hausdach gefunden«, sagte der Oberst. »Der Zeppelin selbst ging über Oranienbaum und dem Meer nieder. Einige Wrackteile konnten wegen des Wetters nur teilweise geborgen werden. Man fand«, er stockte und musste sich sammeln, »man fand die Leiche des Fürsten. Aufgrund der starken Verbrennungen wurde er durch seinen Mantel identifiziert.«
»Ich glaube es nicht. Ich glaube es nicht! Nicht bevor ich die Leiche selbst gesehen habe.« Silena krallte sich in die Decke, als wäre sie mit Hoffnung gefüllt. »Sie kennen doch sein Glück, Oberst! Vielleicht…«
»Fürstin, bitte, regen Sie sich nicht auf«, unterbrach er sie mit väterlicher Stimme. »Das letzte Mal ist er davongekommen, und ich bin der Letzte, der ihn sich nicht lebendig nach Bilston wünscht. Doch als Soldat und als Ingenieur muss ich mir selbst eingestehen, dass es unmöglich ist, eine solche Katastrophe zu überstehen. Ein solches Glück hat kein Mensch auf Dauer gepachtet.«
»Schweigen Sie, wenn Sie nichts Besseres zu sagen haben«, fuhr Silena ihn an. »Ich will das nicht hören!«
Litzow atmete tief ein. »Fürstin, ich tue das als Ihr langjähriger Freund und nicht, um Sie zu verletzen. Je eher wir uns alle mit dem Verlust vertraut machen, desto besser.«
»Die eisige Nacht, das kalte Wasser, die Höhe des Absturzes«, zählte Eisenbeis dumpf auf. »Dass jemand überlebt, ist aus medizinischer Sicht unmöglich.«
»Er ist nicht tot!«, unterbrach sie ihn wütend. Sie ertrug die Vorstellung nicht, ihn dieses Mal wirklich verloren zu haben. Sie verbot sich die Trauer oder jeden Gedanken an eine Beerdigung. Ich habe ihn schon einmal zu früh aufgegeben.
»Man ließ mich wissen, dass die Polizei von einem Anschlag der Drachenfreunde ausgeht.« Litzow kam noch näher zu ihr. »Bitte, vergrößern Sie den Schmerz nicht noch und geben Sie sich keinen falschen Hoffnungen hin.« Er lächelte zurückhaltend, die Schnurrbartenden schössen in die Höhe. »Es gibt jedoch auch einen kleinen Trost. Einen Lichtblick in dieser dunklen Stunde des Verlustes.« Er sah auffordernd zum Arzt. »Doktor Eisenbeis, Sie …«
»Was?«, fragte Silena gereizt. »Was gibt es noch?«
»Fürstin, Sie müssen in Zukunft darauf verzichten, in eine Maschine zu steigen. Sicherheitshalber«, begann Eisenbeis und lächelte dabei, als sei dies etwas Großartiges. »Luftschiffe sind in Ordnung, wegen ihrer geringen Beschleunigung, aber keine tollkühnen Manöver mehr.«
Silena rieb sich das schmerzende Genick. »Wegen meines Nackens?«
»Nein, Fürstin.« Eisenbeis zeigte auf ihren Bauch. »Ich tastete Sie ab, um innere Verletzungen auszuschließen, und stieß dabei am Unterbauch auf Auffälligkeiten.«
»Was ist mit meinem Unterbauch, zum Teufel?!«
»Für intimere Untersuchungen sollten Sie einen Kollegen von mir aufsuchen. Selmar Aschheim und Bernhard Zondek arbeiten zurzeit an einer neuen Nachweismethode, wie sie mir kürzlich schrieben. Sie nehmen den Urin …«
»Eisenbeis, sagen Sie es ihr!«, fiel Litzow ihm ins Wort.
»Verzeihen Sie, Gynäkologie ist nicht mein Fachgebiet. Doch es besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass Sie Mutter werden, Fürstin«, sagte der Arzt in aller Deutlichkeit. »Das Erbe Ihres Mannes wird fortbestehen.«
»Meinen Glückwunsch«, fügte der Oberst hinzu. »Möge Ihnen die Nachricht Kraft geben.«
Die beiden Männer erwarteten gewiss, dass sie ein Anzeichen von Freude zeigte. Doch alles, was sie dachte, war: Gott, nein! Nicht jetzt! »Litzow, machen Sie ein Trägerluftschiff klar«, befahl sie ihm wispernd. »Die Skyguards fliegen nach Sankt Petersburg und suchen meinen Mann. Und bei der Gelegenheit überwachen wir die Ermittlungen. Ich lasse keine Schlamperei zu.«
»Sehr wohl, Fürstin«, sagte der Oberst und trug seine Enttäuschung über ihre nüchterne, freudlose Reaktion auf die Nachricht offen zur Schau.
31. Dezember 1926, in der Nähe von Kiew, Zarenreich Russland
Lady Ealwhina Snickelway musste den Blick mit aller Macht nach vorn auf den grauen Hinterkopf ihres Fahrers Wassilij gerichtet halten. Das ist mehr, als ich ertragen kann.
Rechts und links, abseits der schlaglochübersäten Straße, breitete sich das Schlachtfeld aus, auf dem Menschen gegen Drachen gekämpft hatten. Eine plane, morastige Fläche, ohne Leben, ohne Natur. Einst bearbeitet von Granaten, Bomben und Feuer, hatte die
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