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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Witterung mit Wind und Regen den Sand glatt gezogen, aus tiefen Kratern waren Mulden geworden.
    Es war ein ungleiches Gefecht gewesen, wie die zahlreichen ausgebrannten Fahrzeuge kündeten. Die eisernen Überreste von Lastwagen und Automobilen, Haubitzen und Geschützen ragten skelettgleich aus dem Boden, als wüchsen sie daraus empor. Umherliegende rostende Panzerwracks, sogenannte Tanks, und rußgeschwärzte Flugzeugtrümmer vervollständigten die Impressionen des Gemetzels. Von den Menschen war nichts außer Asche geblieben, die der Wind längst über die Welt verteilt hatte. Ealwhina fuhr durch ein übergroßes Mahnmal.
    Und sie hatte ein weiteres Problem: Sie sah die Geister der Toten, als seien es lebendige Menschen!
    Hunderte Verbrannte und Verstümmelte in zerfetzten Uniformen irrten auf dem Feld umher, hielten ihre Waffen fest und wussten nicht, wohin sie sollten. Verlorene Seelen, denen der Zugang in eine bessere Welt aus ungewissen Gründen verweigert blieb.
    Ealwhina schloss die Augen. Sie müssen unbedingt Geistliche hierherschicken, um das Feld zu segnen, sonst finden die Toten niemals ihre Ruhe.
    Leises Trommeln gegen Scheiben und Dach setzte ein. Ein heftiger Regen ging auf das Land nieder, das Quietschen der Scheibenwischer erklang.
    Eine absolute Ungewöhnlichkeit, denn eigentlich müsste sich der Schnee ein, zwei Meter rechts und links der Straße auftürmen, wie er es bis vor einer Viertelmeile noch getan hatte. Doch je näher sie dem Triglav kamen, desto milder wurde es. Mild im Vergleich zu den Minusgraden, die im übrigen Zarenreich herrschten.
    Als sie Wassilij danach fragte, bekam sie die lakonische Antwort, dass die Gegend seit der Schlacht verflucht sei. In Kiew schien man sich mit der ebenso einfachen wie übernatürlichen Erklärung zufriedenzugeben.
    Verlorene Seelen haben keine Auswirkung auf das Wetter, dachte sie. Experimentieren die Russen? Ist es der Weltenstein?
    »Madame, halten Sie Ihren Ausweis bereit«, sagte der Fahrer in gebrochenem Englisch.
    Sie musste die Lider heben, um nach dem Dokument und dem Visum zu suchen. Dann schaute sie nach vorne, die schnurgerade Straße entlang.
    Eine Meile vor dem, was einst der Triglav gewesen war, tauchte die dritte Kontrollstation der russischen Armee auf. Von hier aus durfte nur derjenige bis zum Denkmal der gefallenen Drachenheiligen weiterfahren, der eine Genehmigung von den zaristischen Behörden erhalten hatte.
    Der Geist eines Infanteristen stand mitten auf der Strecke und hob bittend die Hand, als er das Automobil näher kommen sah.
    Die rechte Hälfte seines Oberkörpers war von einem Drachenbiss abgetrennt worden, Blut lief aus der Wunde. »Gnade«, wimmerte er. »Gnade! Bringt mich weg von hier. Ich kann nicht…«
    Das Automobil fuhr durch ihn hindurch, ohne dass etwas geschah. Ganz dicht huschte er an Ealwhina vorbei, und sie glaubte, das Blut riechen zu können. Es waren nur wenige Sekunden, in denen sich ihre Blicke trafen, doch selten hatte sie eine solch verzweifelte Verlorenheit und den Wunsch nach Erlösung bei jemandem wahrgenommen. Gerade noch rutschte sie zur Seite, seine schmutzige Hand verfehlte sie. Den Ausdruck in den Augen würde sie niemals mehr vergessen. Absichtlich blickte sie nicht aus dem kleinen Rückfenster. Ich kann euch nicht helfen. Mir ist solche Macht nicht gegeben.
    Nach dreihundert Metern hielten sie vor einem massiven Tor an, dahinter befanden sich zwei weitere Eisenschranken. Sogar ein Lastwagen würde von dem Hindernis aufgehalten werden.
    Vier Soldaten kamen aus dem Wachhäuschen durch den strömenden Regen, Tropfen rannen von den Helmen in ihr Gesicht. Einer von ihnen sprach mit dem Fahrer, der seine und Ealwhinas Papiere vorzeigte.
    Sie nutzte die Gelegenheit und starrte nach vorn, zu den sich auftürmenden Steintrümmern.
    Die Armee hatte einen doppelten Sperrzaun um das Areal gezogen; der Mittelstreifen war vermint, wie ihr gesagt worden war. Überall patrouillierten Wachfahrzeuge, um jeden ungewollten Besucher auf der Stelle zu fangen.
    Man könnte meinen, sie möchten etwas verbergen, anstatt zu beschützen. Ealwhina sah zwei große Kasernen, die aus dem Boden gestampft worden waren, auf deren Dächern Geschützkuppeln mit Flugabwehrkanonen und Harpunen saßen. Ihre Informanten hatten ihr zugetragen, dass es von diesen Feuerstellungen zehn Stück gab. Die Tatsache, dass sie keine Geister innerhalb der Bannmeile sah, schien die Annahme ihres Auftraggebers zu bestätigen, dass sich etwas

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