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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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von Stein zu Stein trugen, überwand sie die Distanz zu der Stelle, von der sie die stärkste Schwingung erhielt. Und je näher sie kam, desto intensiver wurde sie.
    Über dem Ort angekommen, hüpfte sie die vierzig Schritte in die Tiefe und landete zwischen den Ruinen einer Behausung. Ein weiterer kleiner, wenn auch anstrengender Trick, den nur sie beherrschte. Behauene Steinblöcke, Metallscharniere und Holzsplitter lagen herum. Offenbar hatte sich eine Festung auf dem Triglav befunden.
    Sie hielt die Hände ausgestreckt, als fühle sie nach Temperaturschwankungen oder einem Luftstrom.
    Schwingungen trafen sie, mal leichte, mal heftige, vergleichbar mit den verschiedenen Schallwellen, die unterschiedliche Instrumente verursachten: druckvoll, schmeichelnd, kaum wahrnehmbar, dann wieder kräftig. Sie verfolgte das intensivste Vibrieren. Tatsächlich wies ihr dieses Empfinden den genauen Weg.
    Hoffentlich finde ich die Stücke recht weit oben. Sie wühlte sich durch den Schutt, so gut es ihr möglich war.
    Dann hielt Ealwhina einen menschlichen Schädel in den Fingern; seine Abstrahlung war unglaublich stark. Vorsichtig drehte sie ihn und hörte ein leises Klappern, als säße in seinem Inneren ein loses Teil.
    Heraus mit dir! Sie schmetterte ihn mit Macht gegen den Fels, sodass die Knochen zersprangen. In den weißen Stücken auf ihrer Hand sah sie eine murmelgroße Kugel, die von letzten Geweberesten umhüllt war. Rasch rieb sie das verrottete Fleisch ab.
    Es sah unscheinbar aus: beschmutzter, ungeschliffener Bernstein mit Einschlüssen darin. Was immer du bist, ich nehme dich mit. Hastig steckte sie den Fund in die Tasche und suchte weiter. Sie spürte die Kraft, die von der Kugel ausging, tatsächlich als intensive Wärme, die über die schwache Hitze eines einfachen Feuerchens hinausging.
    Dann fand sie größere, teils polierte Splitter in der gleichen Farbe wie die Murmel und mit deutlichen Brandspuren daran. Die schwache Kraft, die sie verbreiteten, stand nicht im Vergleich zur kleinen Kugel.
    Habe ich alles, an das ich so ohne Weiteres gelangen kann? Sie konzentrierte sich erneut auf die Schwingungen. Da! Ganz leichte Wellen schlugen gegen sie und verrieten ihr den Standort von weiteren Teilen. Mehr an Abstrahlung konnte sie nicht spüren. Wenn es weitere Fragmente gab, lagen sie zu tief unter dem Geröll vergraben.
    Ihr gelang es, die größten Splitter auf die Schnelle zu bergen. Anschließend säuberte sie die Finger in einer Pfütze und kehrte zu den Soldaten zurück.
    Ob es jetzt anfängt zu schneien? Habe ich unter Umständen das magische Gefüge des Ortes verändert? Ealwhina sah hinauf zu den Wolken und nahm den Schirm in dem Augenblick an sich, als der Soldat mit den Augen zwinkerte und sie groß anstarrte. Seine Freunde benahmen sich ähnlich: Sie musterten sich, die Waffen, die sie in den Händen hielten, die Umgebung, als seien sie aus einem Tagtraum erwacht und zum ersten Mal an diesem Ort. Keiner von ihnen wagte es, eine Frage zu stellen.
    »Nitschiwo straschnawa«, sagte sie herzlich lächelnd und zeigte auf den Weg. »Dawai?« Sie lief los. Verunsichert folgten ihr die Männer.
    Ihre Suche war zumindest in Teilen erfolgreich, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Den eigentlichen Weltenstein als Ganzes gab es nicht mehr, und seine restlichen Splitter lagen so tief unter den Tonnen von Gestein, dass niemand an sie herankam. Es wäre die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zudem besaßen sie vernachlässigbare Energie – im Gegensatz zu dem, was sie aus dem Schädel geholt hatte.
    Was mir wohl De Bercy zu erzählen hat? Ealwhina war neugierig, für wen die Überreste des Artefakts in Wahrheit bestimmt waren. Spätestens wenn ich ihn bearbeite, wird er die Wahrheit herausschreien.
    Die Temperatur sank, wie sie glaubte, und sie streckte die Hand aus, um die Tropfen auf die blanke Haut zu bekommen: Der Regen kühlte ab.

VI.
     
31. Dezember 1926, Rhossili, County Glamorgan, Provinz Wales, Königreich Großbritannien
    Die Bucht von Rhossili sah von der LS II Lena aus betrachtet malerisch aus. Trotz des Winters wirkten der Strand, die grünen Dünen und sogar das Meer, als könnte man sich in Badekleidung ins Wasser stürzen, ohne innerhalb weniger Minuten zu erfrieren. Der Sonnenuntergang tauchte die vereinzelten Wolken in dunkles Rot.
    Die Lena war der Flugzeugträger der Skyguards. In ihrer großen, zweistöckigen Gondel befanden sich ein Hangar für vier Maschinen, Ersatzteile, Treibstoff,

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