Drachenkaiser
Pintverweigerer. »Die Herren kennen Sie ja: Vlad und Piotr. Sie arbeiten für den gleichen Auftraggeber und haben sich Sorgen um mich gemacht.«
Ealwhina war benommen. Ich lag vollkommen daneben. Suchende Finger tasteten sie ab, berührten sie überall, ohne dass sie sich gegen die Männer wehren konnte. Sie fand es widerlich. Als sie ihre Tasche leerten und ihr die Splitter und die Kugel abnahmen, begehrte sie schwach auf, was ihr einen Tritt gegen den Kopf einbrachte.
De Bercy ging neben ihr in die Hocke, packte ihr Gesicht mit der rechten Hand. »Die Herrschaften nehmen die Artefakte an sich und verlassen York. Ich muss ja, dank Ihnen, hierbleiben! Doch ich denke, dass wir gleich viel Spaß haben werden.«
Piotr und Vlad berieten sich kurz. Ealwhina verstand die Worte Amsterdam und Herengracht, bevor sie durch den Kohleschacht ins Freie kletterten. Ihren Bewegungen nach taten sie das nicht zum ersten Mal.
Der Franzose beugte sich nach vorn. »Sagen Sie: Ist das Blut auf Ihrem Mantel?«
Ich muss das Artefakt zurückbekommen. Ealwhina gelang es, die Benommenheit abschütteln. Ich habe nicht die vielen Meilen zurückgelegt und die Gefahren überstanden, um mich schnöde berauben zu lassen!
Absichtlich murmelte sie eine unverständliche Antwort, sodass er näher herankam. Sie hämmerte De Bercy mit dem Knie an den Unterkiefer, woraufhin er weggeschleudert wurde, dann warf sie sich mit einem wilden Schrei auf ihn. Die Hände hatte sie zusammengelegt und schlug mit einer kraftvollen Bewegung von oben nach unten, als führe sie einen Dolch zwischen den Fingern.
De Bercy sah das Unheil kommen, konnte sich aber nicht mehr schnell genug herumwälzen. Der Schmetterhieb brach seinen Geisterschädel – und seine Konturen verblassten; das Licht in ihm erlosch, und er löste sich auf.
Ealwhina setzte sich auf den Boden. Das hat gutgetan, dachte sie grimmig. Nicht das Gleiche wie bei einem Menschen, aber es tat gut. Sie mochte es lieber, das echte Blut zu riechen und zu sehen, und wie es danach verrann und das Leben des Opfers mit sich nahm. Das Vernichten einer Seele besaß keinen so großen Reiz, jedenfalls nicht auf diese Weise.
Licht fiel durch einen Spalt die Kellertreppe hinab, sie hörte Menschen, die sich näherten.
Rasch sprang sie auf und rannte zum Kohleschacht, nur um direkt davor abzubremsen: Zwei Paar Hosenbeine und Stiefel waren vor dem Schacht erschienen und stehen geblieben, die Strahlen zweier Taschenlampen leuchteten auf. Hier konnte sie nicht hinaus, trotz ihrer Tricks. Sie stand unvermittelt im Hellen.
»Bleiben Sie stehen«, befahl ihr eine weibliche Stimme. »Langsam umdrehen.«
Ealwhina tat es – und konnte es nicht verhindern, dass sie die Frau auf der Kellertreppe dämlich anglotzte, die leibhaftig und nicht als Geist vor ihr stand: das russische Medium! Sigorskaja zeigte nicht einmal leiseste Spuren einer Verletzung, keine hastig angelegten Verbände oder Blut auf ihrer Kleidung. Verletzung, keine hastig angelegten Verbände oder Blut auf ihrer Kleidung.
Die Russin kam die Treppe hinunter, ihr folgten fünf Männer, durch den Schacht glitten zwei weitere. Ealwhina war eingekreist.
Sigorskaja betrachtete sie argwöhnisch durch die Brille. »Wo haben Sie das Artefakt versteckt? Und spielen Sie mir nichts vor! Ich sehe, dass Sie es nicht mehr bei sich tragen.«
»Ich wurde beraubt«, antwortete sie ehrlich und spreizte die Arme als Zeichen, dass sie sich ergab. »Von zwei Russen. Sie sind seit gestern hier und passten mich ab. Fragen Sie Thomas, den Wirt.« Sie sah die Männer und Frauen der Reihe nach an. »Wer sind Sie?«
Das Medium setzte sich auf ein leeres Fass. »Zoja Sigorskaja, ich bin Oberst der Armee des Zaren und habe den Auftrag, das gestohlene Gut zurückzuholen. Das sind meine Leute.« Sie zeigte in die Runde. Dann sagte sie etwas auf Russisch, und drei Männer rannten die Treppe hinauf. Wahrscheinlich nahmen sie die Verfolgung auf. »Meine Schwester fehlt noch, aber wir werden sie bald erwarten.«
Zwillinge. Ealwhina ließ sich nichts anmerken. Ich werde den Mord wohl besser De Bercy in die Schuhe schieben. »Wir sollten uns beeilen, um …«
»Wir sicherlich nicht«, unterbrach sie Sigorskaja. »Unser Geheimdienst hat herausgefunden, wer Sie sind, was De Bercy alles getan hat und welche Kontakte er pflegte. Kennen Sie einen von ihnen?« Sie nahm einen Block aus dem Mantel, las davon eine Reihe von Namen herunter und sah nach jedem erwartungsvoll zu Ealwhina, die aber
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