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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Gittern. Die provozierend aufdringlichen Geräusche zwangen ihn zu verfolgen, was geschah: Finger und Kleidung rieben an den Stangen. Die Besucher wähnten sich sicher vor ihm, da er sie nicht ansah, und versuchten, so nahe wie möglich an ihn heranzukommen. Manche kicherten, manche riefen ihre Kinder oder Liebsten zurück, manche beschwerten sich über seine Regungslosigkeit.
    Ihr ödet mich an, Langnasen! Jedes Mal das Gleiche. Nie-Lung grollte, und schon gellten Schreie durchs Zelt, gefolgt von erleichtertem Lachen. Er fand es an der Zeit, dass er seine Mission rasch zum Abschluss brachte. Noch mehr Gafferei von diesen niederen Kreaturen ertrage ich nicht.
    »Sie sehen den mächtigen Nie-Lung«, rief Wu Li mit seiner tiefen Stimme durch das Gemurmel. »Er wurde gefangen. Meine Traumkugeln brachen seinen Willen. Er ist keine echte Gefahr für die Menschen, wenn auch sehr gefährlich, sollte er von jemandem gereizt werden.«
    »Was geschieht denn dann?«, rief ein Rundauge neugierig.
    Du stirbst als Letzter, Einfältiger! Nein, du bist so dumm, ich berühre dich nicht einmal, Menschlein, falls es abfärben sollte.
    »Das Schlimmste, Schrecklichste und Unvorstellbarste«, gab Wu Li schauderhaft zurück. »Reizt man den mächtigen Nie-Lung bis aufs heiße, blaue Blut, könnte er versuchen, seinen Käfig zu zerstören und…«
    »Entschuldigung, aber wie können Sie denn den Willen eines Drachen brechen?«, fragte derselbe Mann ungläubig. »Es sind wilde Bestien! Bei Ihnen in China mag man das vielleicht nicht ganz so sehen, aber wir in Europa sind froh, dass sie so gut wie ausgerottet sind.« Er lachte auf. »Das ist doch der beste Beweis: Wir müssen sogar schon zahme Viecher importieren, um einen zu sehen.«
    Nie-Lung mochte dieses Exemplar noch weniger. Das Gefasel strengt mich an.
    »Ja, wie haben Sie ihn gebrochen?«, wollte eine Frau wissen. »Macht man das bei den Drachen wie bei den Hunden? Oder gibt man ihnen was zu fressen, was sie … beeinflusst?«
    Ich habe euren Ahnen unrecht getan: Ihr seid wirklich so dämlich, dass jeder Affe euch bemitleidet.
    »Ich habe eine spezielle Methode mit meinen Traumkugeln entwickelt«, erklärte Wu Li. »Und es funktioniert auch nicht bei allen Geschuppten. Mehr darf ich dazu nicht sagen.«
    Das empfehle ich dir, Wu Li, sagte Nie-Lung zu dem Chinesen in Gedanken. Bleib mystisch. Das mögen die Langnasen. Erzähle ihnen noch was vom uralten Wissen Asiens.
    »Hypnose?«, hakte da der Mann von vorhin wieder nach. »Sind Drachen unter Umständen so klug, dass diese Methode greift? Mesmerismus?«
    »Das ist doch völlig gleich«, griff eine ältere Frau, wie Nie-Lung an der Stimme hörte, ungehalten ein. »Das Biest ist nicht mehr gefährlich. Basta.«
    »Sie haben ihm bestimmt die Hoden abgeschnitten«, krähte ein Jugendlicher vorlaut, was zu Gelächter und Empörung gleichzeitig führte. »Schnipp, schnapp, und schon ist er ein lieber Drache!«
    Entmannt? Das ertrage ich nicht mehr! Nie-Lung fuhr zischend in die Höhe und wandte sich der Meute zu, dabei ließ er seine orangefarbenen Augen aufleuchten; ratternd fuhr das Gehörn die Stäbe entlang.
    Drei Frauen fielen sofort in Ohnmacht, die Kinder und Damen kreischten auf und rannten zum Ausgang. Die meisten Männer zuckten zusammen und machten einen Schritt zurück. Bis auf einen, der sich gar nicht bewegt hatte, sondern interessiert schaute und sich Notizen auf einem Block machte. Er trug ein schwarzes Sakko, darunter ein weißes Hemd und braune Knickerbocker.
    Auch wenn seine Kleidung unverfänglich wirkte, besaß der Mann die Aura eines Querulanten, eines Schnüfflers.
    Was bist du denn für einer? Nie-Lungs ungutes Gefühl verstärkte sich. Hast du die Unerschrockenheit gegessen?
    »Bleiben Sie ruhig, Herrschaften.« Wu Li hob die Arme und lachte. »Das sind die Scherze, die sich Drachen gern erlauben. Ein letztes Aufbäumen ihres verkümmerten Stolzes.«
    Der Mann mit dem Block meldete sich zu Wort. »Verzeihung, aber das sah gefährlich aus.« Die Spitze des Bleistifts zeigte auf den Käfig. »Ich sehe, dass die Haltebolzen nur sehr nachlässig angezogen sind.« Er setzte sich in Bewegung und schritt an dem Hünen vorbei. »Wenn wir gerade dabei sind: Wo ist das Schloss, mit dem das Gatter vor dem Aufschwingen bewahrt wird?« Er überflog die Seite, die er beschrieben hatte. »Es gibt etliche Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen, was die Präsentation von wilden Großtieren angeht.«
    Auch das noch. Nie-Lung

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