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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Empfänger bezahlen und mich bei Brieuc entschuldigen.«
    Silena schüttelte den Kopf. Der Orden lernt es nimmermehr. »Das wiederum bedauere ich. Sie trifft keine Schuld, denn der Schuss war nicht nötig.«
    »Danke.«
    »Ich müsste Sie etwas fragen.« Sie bedeutete Marie, sich zu ihr zu setzen.
    »Gern. Aber viel Zeit habe ich leider nicht. Sonst verliere ich meine Arbeit.« Marie knickste und nahm ihr gegenüber Platz. »Was kann ich für Sie tun, gnäd’ge Frau? Wieder eine geographische Aufgabe?«
    »Nein. Dieses Mal ist es einfacher.« Silena zeigte hinaus. »Das Officium zieht um?«
    Marie bejahte und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Solange die Aufräumarbeiten laufen, verlegt Prior Prokop den Sitz an eine andere Stelle, habe ich von den Georgswächtern gehört, die ihre Kaffeepause bei uns machen.«
    »Ist denn Krieg, oder weswegen führt Prokop die Geschäfte?«
    Marie wirkte erstaunt. »Wussten Sie es nicht? Der Erzbischof ist bei dem Anschlag ums Leben gekommen. Sämtliche Gargoyles des Officiums sind vernichtet worden.«
    Silena horchte in sich hinein und spürte ein leichtes Bedauern über den Tod, mehr aber auch nicht. Kattla hatte sie zu sehr gereizt und ihr zu viel abverlangt. Er starb im Kampf. Das mag ihm sogar gefallen haben. »Das muss an mir vorbeigegangen sein. Ich hatte genug eigene Sorgen«, gab sie zurück. »Wohin verlegt das Officium denn seinen Sitz?«
    »Tja, die Frage ist nicht so einfach. Es ist nämlich geheim. Niemand weiß, wohin sie die Unterlagen bringen.« Marie strich die Tischdecke glatt. »Niemand.«
    »Wissen Sie etwas?«
    »Ich, gnäd’ge Frau?«, erwiderte Marie mit falscher Betonung.
    Silena lächelte. Gut, dass ich einen Tee trinken wollte. »Helfen Sie mir wieder, Marie.«
    »Ich … kann Ihnen nur sagen, dass ich einen von ihnen in der Hohenzollernstraße in einen Hof habe fahren sehen.« Sie nannte die Hausnummer. »Und da hatte er seine Ladung noch, wie ich vermute.«
    Silena ergriff ihre Hand und drückte sie. »Vielen, vielen Dank!«
    Marie stand auf. »Wie immer sehr gern, gnäd’ge Frau.« Sie nahm ihre Arbeit wieder auf.
    Gemütlich lehnte sich Silena zurück und hob die Tasse, mit der anderen Hand langte sie nach den Keksen. Heute Abend wird es Zeit für einen Hausbesuch. Ich hoffe, dass Maries Vermutung stimmt. Schnelle Erfolge, mehr will ich nicht, um Grigorij zu finden.
    Der Winter im Herzen des bayrischen Königreichs zeigte sich von seiner schneereichen Seite. Kaum senkte sich die Nacht herab, schütteten die Wolken dicke, weiße Flocken über der Stadt aus. Silena war von ihrem Hotel zu Fuß in die Hohenzollernstraße gegangen und wunderte sich. Das Wetter hielt die Münchner nicht davon ab, an diesem Abend auszugehen und sich in Clubs oder Bars zu begeben, um die neueste Musik von den bekanntesten Musikern und deren Orchestern zu hören.
    Der Jazz faszinierte Silena wie die meisten Menschen, vor allem die Jüngeren, und ließ sie die angespannte wirtschaftliche Lage des Kaiserreichs vergessen. Die Auswirkungen des Weltkriegs waren trotz des Aufschwungs nicht ausgestanden. Musik und Tanz richteten mehr aus als die Versprechen des Kaisers auf eine baldige Besserung. Aus einigen der beschlagenen Fenster, an denen Silena vorbeistapfte, drangen buntes Licht und verschiedenste Klänge: Charleston, Shimmy, Ragtime, Fox.
    Ungewollt musste Silena an den Mann in ihrem Leben denken, der sie hintergangen und bei einer Tanzveranstaltung geküsst hatte. Nahm man es genau, war es ein Drache in Menschengestalt gewesen, ein Verführer, der sie ausgenutzt hatte.
    Dafür habe ich wirklich keine Nerven. Sie rieb sich den schmerzenden Nacken und schob die aufsteigenden Erinnerungen zur Seite.
    Silena trug einen schwarzen Mantel, darunter ihre alte Ausgehuniform des Officium Draconis. Für das Geschenk muss ich Brieuc dankbar sein. Sollte sie entdeckt werden, konnte sie immer noch versuchen, die Wachen damit zu beeindrucken. Die Luger steckte im Holster, und sie hatte sogar an eine Taschenlampe gedacht, damit sie heimlich in den Archiven suchen konnte.
    Es war nicht leicht, in dem Gestöber die Hausnummer zu erkennen.
    Kurz nach dem Hohenzollernplatz wurde sie fündig. Die Einfahrt zu dem großen, hohen Gebäude war mit einem Eisengitter verschlossen, vier Meter dahinter wartete ein zweites, hölzernes Tor. Hier gab es kein Durchkommen.
    Silena betrachtete die angrenzenden Häuser, sah auf die vorspringenden Simse, auf denen sich das Weiß türmte.

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