Drachenkampf
beunruhigt.
Noch vor einem Monat hätte er Maßnahmen ergriffen, damit man dem Edelmann im beigen Wams folgte, ihn identifizierte und ihn gegebenenfalls auch ausschaltete. Doch er gehörte nicht mehr der Kardinalsgarde an. Mit einem Auftrag, der ihn seinen roten Umhang und seinen Dienstgrad gekostet hatte, hatte er auch die Geheimnisse, die Intrigen, die Lügen und den Verrat im Dienste Seiner Eminenz hinter sich gelassen.
Nachdem er sich mit dem restlichen Wasser aus dem Krug gewaschen hatte, zog sich Laincourt fertig an und fand im Vorratsschrank, was er brauchte, um Marschalls Hunger zu stillen. Dann beschloss er hinauszugehen, um selbst auch etwas zu essen. Anschließend begab er sich zu seinem Buchhändler Bertaud, um ihm zwei Bücher, die er zum Preis von einem geliehen hatte, zurückzubringen.
Er hatte gerade sein Wehrgehänge übergestreift und den Degen daran befestigt, als er gleich bei der Tür den erneut ausgerissenen Dragun erblickte, der seine Kette und sein Halsband im Maul trug. Der junge Mann schwor sich, auf dem Weg zur Buchhandlung ein Vorhängeschloss zu kaufen, aber da er ein guter Verlierer war, hielt er Marschall den Arm hin.
»Von mir aus«, sagte er. »Ich nehme dich mit.«
Draußen angekommen, war der Edelmann mit dem beigen Wams verschwunden.
Der Graf von Tréville, Hauptmann der Musketiere des Königs, stand am Fenster seines Kabinetts und entspannte sich dabei, den Hof seines Stadtpalais in der Rue du Vieux-Colombier im Viertel von Saint-Germain zu betrachten. Dort bot sich ihm ein fröhliches Bild, das er liebte und in ihm die Sehnsucht an eine Zeit weckte, in der er nur der Waffengefährte von Henri IV. gewesen war. Er sah mehrere Dutzende Musketiere auf dem mit frischem Heu bestreuten Pflasterboden herumschlendern. Da sie gerade nicht im Dienst waren, trug keiner von ihnen den blauen Musketierumhang mit dem weißen Kreuz und den Königslilien. Aber alle trugen sie ihren Degen an der Seite und warteten nur auf eine Gelegenheit, ihn zu ziehen. Sie spazierten umher, schwatzten, lachten, spielten Schach oder Karten, maßen sich im Fechtkampf, lasen zusammen in den Gazetten, kommentierten die neuesten Neuigkeiten, blieben dabei jedoch immer wachsam und beobachteten das Kommen und Gehen bis zur Haupttreppe und in die Vorzimmer hinein, die sie bewohnten.
»D’Artagnan!«, rief Tréville plötzlich mit lauter Stimme.
»Hauptmann?«
»Sagt mir, d’Artagnan, ist das nicht der Chevalier d’Orgueil, den ich dort bei den Stallungen sehe?«, fragte Tréville, ohne sich umzudrehen.
Der andere näherte sich so weit, bis er einen Blick über die Schulter seines Hauptmanns werfen konnte. »Das ist er, mein Herr.«
»Sagt ihm bitte, er möge heraufkommen.«
»Herr Hauptmann, man drängt sich schon vor der Tür Ihres Kabinetts.«
Tatsächlich – von den frühen Morgenstunden an waren Trévilles Tage beherrscht von den nicht abreißen wollenden Besuchen, die er in seinem Palais empfing, wenn ihn der Dienst am König nicht woandershin führte.
»Ich weiß, d’Artagnan, ich weiß … Sagt meinem Sekretär, er soll die Leute beruhigen. Würdet Ihr das tun?«
»Zu Befehl, Hauptmann.«
»Danke, Leutnant.«
Als er wieder allein war, stieß der Hauptmann der Musketiere einen Seufzer aus, wandte sich schweren Herzens vom Fenster ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Müde wandte er den Blick den Blättern und Heften zu, die sich dort stapelten. Unnützer Schreibkram. Tréville nahm eine Schatulle, öffnete sie mit einem kleinen Schlüssel, holte einen geöffneten Brief heraus und legte ihn vor sich hin.
Dann wartete er.
»Herein!«, sagte er, als es an der Tür klopfte.
Ein Edelmann in einem karmesinroten Wams mit schwarzen Knöpfen erschien. Er war groß, hielt sich sehr gerade und hatte einen entschlossenen Schritt. Man erriet leicht, dass er Offizier war oder gewesen war. Der Mann musste zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahre alt sein. Sein Gesicht war markant und sein Blick so sicher wie von einem, der niemals versagt hatte und niemals versagen würde, und er war mit einem Rapier bewaffnet. Es war ganz weiß und aus Elfenbein, von der Spitze bis zum Knauf aus einem Drachenzahn gearbeitet. Er trug es rechts, wie es für einen Linkshänder wie ihn üblich war.
Antoine Leprat, Chevalier d’Orgueil und ehemaliger Musketier des Königs, lüftete seinen Hut zum Gruß.
Tréville empfing ihn mit einem Lächeln. »Guten Tag, Leprat. Wie geht es Euch?«
»Sehr gut, Monsieur.
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