Drachenkampf
mehr. Sie wusste, dass er sie liebte und immer etwas verlegen war, wenn es darum ging, ihr seine Zuneigung zu zeigen. Sie wusste auch, dass er es nicht mochte, wenn sie zu lange fortblieb, und vor Sorge umkam, bis sie wieder zurück war. Der Grund dafür war, dass sie als Kind unter zweifelhaften Umständen, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, mehrere Tage lang verschwunden gewesen war. Das hatte Ballardieu für immer gezeichnet.
»Ich bin bis Saint-Germain geritten«, erklärte sie mit leichter Stimme und ging an dem alten Soldaten vorbei ins Vestibül. »Neuigkeiten von La Fargue?«
»Nein«, antwortete ihr Ballardieu von der Freitreppe aus. »Aber wenn es dich interessiert, Marciac ist zurückgekehrt.«
Sie blieb stehen und lächelte strahlend.
Marciac war vor drei Wochen überstürzt und allein zu einer Mission nach La Rochelle aufgebrochen und hatte seitdem kein Lebenszeichen von sich gegeben. Seit einigen Tagen war das Schweigen des Gascogners richtiggehend beunruhigend geworden.
»Wirklich?«
»Wenn ich es dir doch sage!«
Marciac beugte sich gerade über eine Schüssel mit kaltem Wasser und erfrischte sich Gesicht und Nacken mit beiden Händen, als er hinter sich vernahm: »Guten Tag, Nikolas.«
Er hielt inne, lächelte und ergriff blinden Auges ein Handtuch. Dann richtete er sich auf und drehte sich zu Agnès um, während er sich die Wangen trocknete.
Sie stand auf der Schwelle seines Zimmers, mit einer Schulter an die Mauer gelehnt und die Arme verschränkt. Ihre Augen strahlten, und sie hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen. »Herzlich willkommen zu Hause«, sagte sie.
»Danke«, erwiderte Marciac.
Er trug immer noch die Stiefel und die Beinkleider, in denen er hergeritten war, aber obenherum hatte er bloß noch ein Hemd an, dessen Ärmel hochgekrempelt waren, damit er sich waschen konnte. Sein Wams – ein elegantes, blutrotes Wams, aus demselben Stoff gefertigt wie seine Beinkleider – lag auf dem Bett, neben einer alten Reisetasche aus Leder. Sein Hut hing an der Wand, ebenso sein Rapier in der Scheide und das Wehrgehänge.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Agnès.
»Erschöpft.«
Und um seine Worte zu bekräftigen, ließ er sich in einen Sessel fallen, dabei hatte er das Handtuch um den Hals gelegt, und noch feuchte Haarsträhnen klebten ihm auf der Stirn. Er wirkte wirklich sehr müde.
Aber dennoch erfreut.
»Ich hatte es so eilig herzukommen«, erklärte er, »dass ich heute Nacht nur drei Stunden geschlafen habe. Und diese Sonne! Und dieser Staub! Herrgott, ich sterbe vor Durst!«
Das war just der Moment, in dem die sanfte und schüchterne Naïs mit einem Tablett, auf dem ein Krug mit kühlem Wein und zwei Gläser standen, aus der Küche kam. Agnès ging zur Seite, um sie eintreten zu lassen, und als er sie sah, sprang Marciac hocherfreut auf.
»Das ist wundervoll! Naïs, ich bete dich an. Willst du mich heiraten? Weißt du, dass ich während meines Exils oft an dich gedacht habe?«
Das junge Mädchen stellte ihr Tablett ab und fragte mit gesenktem Kopf: »Wollt Ihr, dass ich das Bett mache, mein Herr?«
»Grausame! Mir das anzubieten, wo ich nur davon träume, das Bett mit Euch in Unordnung zu bringen …«
Naïs errötete, prustete los, deutete einen Knicks an und zog sich rasch zurück.
»Säusel nur weiter wie eine Amsel!«, zog ihn Agnès auf. »Diese Frucht wirst du nicht pflücken …«
Marciac war blond, ein schöner Mann und ein Charmeur. Seine Haare hatten immer einen Kamm nötig, seine Wangen eine Rasur, seine Kleider ein Bügeleisen und seine Stiefel eine Bürste, aber er erfreute sich einer natürlichen Eleganz, die wunderbar zu dieser Lässigkeit passte. Er war mehr oder weniger gascognisch, mehr oder weniger Edelmann und mehr oder weniger Arzt. Vor allem aber war er ein gefürchteter Fechter, ein hartnäckiger Spieler und ein unverbesserlicher Verführer, der nicht nur Mühe hatte, seine Duelle zu zählen, sondern auch seine Schulden und Eroberungen.
Er zuckte mit den Achseln, füllte die Gläser und reichte Agnès eines davon. »Stoßen wir an«, schlug er vor.
Das taten sie.
Agnès setzte sich auf das Fenstersims, und Marciac ließ sich wieder in den Sessel sinken. Jeder anderen Frau hätte er seinen Platz angeboten, doch die Baronin von Vaudreuil erwartete solche Aufmerksamkeiten nicht von ihrem Waffengefährten.
»Jetzt erzähl mir alles«, sagte der Gascogner. »Aber zuallererst: Wem habe ich da bei meiner Ankunft überhaupt mein Pferd
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