Drachenkampf
anvertraut? Ich bin kaum weg, schon tauchen überall neue Gesichter auf.«
»Unser neuer Stallknecht, André. Ein Ehemaliger des Regiments der Picardie, glaube ich.«
»Ich nehme mal an, man hat sich wohl versichert, dass …«
»Ja«, unterbrach ihn Agnès. »Der Mann ist sauber. Er war bereits Stallknecht im Palais-Cardinal, bevor er uns … empfohlen wurde.«
»Gut … was ist mit den anderen?«
»Den anderen?«
»La Fargue, Saint-Lucq, Leprat … Erinnerst du dich? Vor meiner Abreise waren wir noch eine ganze Truppe. Zum Teufel! War ich etwa länger weg, als es mir scheint?«
Weil der Spott verdient und durchaus nett gemeint war, billigte sie ihn gern.
»Leprat ist in Paris«, berichtete sie, »aber die Vormittage verbringt er häufig bei Monsieur de Tréville. Saint-Lucq und Almadès dagegen sind mit La Fargue auf einer Mission. Wenn alles gut geht, werden sie noch heute zurück sein.«
Marciac begnügte sich damit, fragend die Augenbraue hochzuziehen.
Agnès stand auf, um die Zimmertür zu schließen, lehnte sich mit dem Rücken daran und sagte dann in vertraulichem Ton:
»Unlängst hat sich jemand diskret beim Kardinal gemeldet. Dieser Jemand gab vor, über sehr wertvolle Informationen zu verfügen, und schlug ein Treffen vor, um die Bedingungen, unter denen diese Informationen preisgegeben werden könnten …«
»Käufliche Informationen?«
»Verhandelbare.«
»Und es handelt sich um La Fargue, den der Kardinal damit betraut hat, diesen Jemand zu treffen.«
»Umgehend.«
»Tja, dieser Jemand muss aber jemand sein. Von wem sprechen wir genau?«
»Von der Italienerin.«
»Ah, jetzt verstehe ich das Ganze schon besser.«
Die Italienerin war eine Abenteurerin, die an allen Höfen Europas wohlbekannt war. Als gerissene Intrigantin, besonnene und verführerische Spionin lebte sie von Geheimnissen, die sie in eigenem Namen oder im Auftrag anderer aufdeckte. Was sie außer ihrer Intelligenz und ihrer Schönheit am meisten charakterisierte, war ihre Skrupellosigkeit. Sie war käuflich, und ihre exzellenten Dienste waren sehr teuer. Stets hatte sie mehrere Eisen im Feuer, mit denen sie gern jonglierte, und sie lebte ein leidenschaftliches und gefährliches Leben. Alle, die sie kannten, prophezeiten ihr einen frühen und gewaltsamen Tod, doch dieselben Schwarzseher zögerten nie lange, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Man munkelte, dass ihre Loyalität in letzter Instanz dem Papst galt. Andere behaupteten, sie diene einer Geheimgesellschaft der Drachen. Aber damit ließ man vermutlich ein wenig zu eilig ihre Gewinnsucht und ihre Freiheitsliebe außer Acht.
»Aber«, fing Marciac nach einem Moment des Schweigens wieder an, »hegt der Kardinal nicht aus einigen Gründen Groll gegen sie? Erinnere dich nur an Regensburg …«
Agnès zuckte mit den Schultern. Sie legte die Hand auf dem Türknauf. »Was soll ich dir sagen? Es gibt Kreise, in denen der Groll dem mehr schadet, der ihn empfindet, als dem, der ihn erleidet … Aber gut, jetzt lass ich dich mal wieder in Ruhe.«
Aus Höflichkeit erhob sich der Gascogner aus seinem Sessel, und bevor die junge Baronin hinausging, umarmte sie ihn ohne Vorwarnung.
Da er nicht genau wusste, wie ihm geschah, ließ Marciac sie gewähren.
»Wir haben uns Sorgen gemacht«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Rechne nicht damit, dass die anderen es dir sagen, aber du hast uns ganz schön Angst eingejagt. Du kannst dir sicher sein, wenn du dich noch einmal unterstehst, uns so lange ohne das geringste Lebenszeichen zu lassen, werde ich dir die Augen auskratzen. Verstanden?«
»Verstanden, Agnès. Danke.«
Dann ließ sie ihn stehen, rief ihm dann aber noch von der Treppe aus zu: »Erhol dich, aber lass dir nicht zu lange Zeit. Ich bin sicher, dass Ballardier eine Schlemmerei zu deinen Ehren plant!«
Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss der Gascogner die Tür.
Er verharrte einen Moment nachdenklich, dann gähnte er so stark, dass sein Kiefer knackte, und betrachtete sein Bett mit einem genüsslichen Blick.
Eine heisere, aufgeweckte Stimme kitzelte Arnaud de Laincourt im Ohr und holte ihn so aus dem Schlaf. Der junge Mann brummte unwillig, verscheuchte mit matter Hand eine schuppige Schnauze und drehte sich im Bett um.
Aber der Dragun war stur.
Er nahm sich einfach das andere Ohr vor.
»Komm, Junge … Du kennst ihn nun gut genug, um zu wissen, dass er dir keine Ruhe mehr lassen wird …«
Resigniert stieß Laincourt einen tiefen Seufzer aus und öffnete die
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