Drachenkampf
kommentiert wurden. Das war nichts Ungewöhnliches. Er war eine öffentliche Person.
Aber unter denen, die sich für seine Aktivitäten interessierten, gab es einige, die dunkle Pläne verfolgten. Der Kardinal hatte viele Feinde. Da waren zunächst die Feinde des Königs, meist keine Unbekannten. Gefolgt von jenen, darunter die Partei der Frommen, denen seine Politik missfiel. Und schließlich seine persönlichen Feinde, die ihn genauso hassten wie seine Erfolge und die ihm seinen Einfluss auf Louis XIII. neideten – einen Einfluss, der im Übrigen überschätzt wurde, dessen Legende es jedoch auf recht bequeme Art ermöglichte, dem Minister die Fehler und Brutalitäten des Königs vorzuwerfen.
Zwei Frauen gehörten zu den erbittertsten persönlichen Feinden Richelieus. Die erste war die Königinmutter, Maria de’ Medici, die Witwe von Henri IV.: Gedemütigt und noch immer wütend, dass ihr Sohn den Kardinal ihr vorzog, wenn es darum ging, die Staatsgeschäfte zu lenken, intrigierte sie von Brüssel aus, wohin sie sich geflüchtet hatte, und stiftete Aufstände an, wo sie konnte. Die zweite war die sehr schöne, sehr intelligente, sehr mondäne und sehr gefährliche Herzogin von Chevreuse, die seit Jahren an jeglichen Verschwörungen beteiligt war, jedoch durch ihre Geburt, ihr Vermögen und ihre Freundschaft mit Königin Anne, der Gemahlin von Louis XIII., geschützt war. Diese beiden Frauen gaben sich nie geschlagen, selbst wenn sie manchmal nur Komplizinnen in Intrigen waren, die von anderen Feinden des Kardinals ersonnen und ausgeführt wurden.
Seine Feinde, ganz gleich, ob katholisch oder protestantisch, französisch oder ausländisch, menschlich oder draconisch, seine Feinde, die alle ihre Fühler im Louvre ausgestreckt hatten, durften unter keinen Umständen auch nur etwas von dem erahnen, was sich zusammenbraute.
Geben wir diesen Herren einfach keinen Anlass, sich zu beunruhigen , dachte Richelieu.
Schließlich entschied er sich, der Königin doch noch seine Aufwartung zu machen.
Marciac erwachte in voller Montur auf seinem Bett. Er hatte kaum die Kraft gefunden, seine Stiefel auszuziehen, bevor er sich hingelegt hatte. Er richtete sich auf, betrachtete sein Zimmer mit verschwommenem Blick und gähnte. Dann setzte er sich auf die Bettkante. Er streckte sich, gähnte erneut, kratzte sich im Nacken, wobei er sich gleichzeitig über den Bauch strich und feststellte, dass er Hunger hatte.
Und Durst. Durst hatte er auch.
Hatte er lange geschlafen?
Jedenfalls nicht lange genug, um die Gliederschmerzen eines zu langen und zu schnellen Ritts von La Rochelle vollkommen abklingen zu lassen. Mit der Kutsche wäre es eine Achttagestour gewesen. Der Gascogner hatte diese Strecke in etwas weniger als fünf Tagen zurückgelegt, was nur möglich war, wenn man einige schmerzhafte Nachwirkungen in Kauf nahm …
Mit verzerrtem Gesicht stand Marciac auf und ging schweren Schrittes zum Fenster. Es war geöffnet, aber der Vorhang war zugezogen. Er schob ihn zurück und kniff die Augen zusammen, die von der sinkenden Sonne geblendet wurden.
Es war also bereits Nachmittag.
Nachdenklich erfreute sich der Gascogner einen Moment lang an der Umgebung vor seinem Fenster. Sein Zimmer lag im zweiten Stock des Palais Épervier . Es zeigte nach Osten und eröffnete zunächst einen Blick über die Dächer der Charité und dann weiter hinten auf jene der prächtigen Abtei von Saint-Germain-des-Prés . Das Saint-Germain -Viertel war luftig und grün, übersät von eleganten Gebäuden und damit recht angenehm.
Zur rechten Zeit läutete eine Kirchenglocke, um Marciac einerseits aus seinen Träumereien zu reißen und ihm andererseits die Uhrzeit anzugeben.
Es war vierzehn Uhr.
Der Gascogner wandte sich vom Fenster ab, machte sich schnell noch etwas frisch, befeuchtete die blonden Strähnen über dem Waschbecken mit etwas Wasser und rieb sie anschließend wieder trocken. Anschließend fühlte er sich wie neugeboren und warf einen kurzen Blick in den kleinen Wandspiegel. Danach schlüpfte er in seine Stiefel, nahm seinen Hut und sein Wehrgehänge, damit er im Falle des Falles nicht mehr hinaufgehen müsste, und ging, das Hemd über dem Hosenbund und mit noch feuchten Haaren, hinunter.
Einer der wenigen Vorteile des Palais Épervier war, dass es im Sommer kühl war. Ansonsten handelte es sich um ein besonders schmuckloses und düsteres Gebäude. Im Erdgeschoss wäre Marciac beinahe mit Guibot, der am Treppenabsatz stand,
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