Drachenkampf
dagegen wartete auf einen Rat, eine Versicherung. Da sah sie Leprat, der ihr demonstrativ zunickte und dabei beruhigend die Lider senkte. Dies gab ihr Sicherheit. Leprat war ein Edelmann und obendrein ein ehemaliger Musketier des Königs. Und die Baronin von Vaudreuil schien das Ganze auch nicht zu kümmern. Also, wenn sie das nicht als unpassend erachteten, dass sie sich setzte …
Etwas beruhigt setzte sie sich schüchtern und nur halb auf einen wackeligen Schemel und bat eindringlich darum, von ihrer Anwesenheit keine Notiz zu nehmen.
»Und André?«, fuhr Ballardieu fort. »Er sollte auch etwas von diesem Festschmaus haben, oder? Man muss ihn rufen. Guibot, wärt Ihr so gut, ihn holen zu gehen?«
Der Pförtner, der bereits seinen Teller in der Hand hielt, murrte zwar leise in seinen Bart, war aber gern dazu bereit.
Er schwang sich auf sein Holzbein und versuchte, die Maulwurfshügel zu umgehen.
Leprat reichte Marciac ein Jagdmesser. »Auf geht’s. Die Ehre gebührt dir.«
Der Gascogner erhob sich vor der Blätterteigpastete und musterte die Tischgesellschaft einen Moment lang. Einige seiner besten Freunde waren da und hatten dieses Mahl für ihn vorbereitet. Er fühlte sich wohl und war glücklich …
… und zugleich in der Stimmung, einige Worte zu sprechen, die seinen Gefühlen Ausdruck verleihen sollten.
Doch Agnès ahnte es.
»Marciac«, sagte sie, »wenn das Nächste, was du sagst, nicht lauten sollte: Wer bekommt dieses schöne Stück?, dann schwöre ich, dass ich dir den Bauch aufschlitze.«
Er lachte lauthals und stieß die Klinge in die goldene Kruste.
Die drei Reiter erreichten Paris über das Stadttor zu Montmartre . Sie waren müde, sahen abgespannt aus und hatten Schatten unter den Augen. Sie waren verdreckt, hatten stoppelige Wangen und trugen noch immer dieselben Kleider, in denen sie am Vortag Paris verlassen hatten und dann durch beinahe vierzig Orte geritten waren, um die Italienerin zu treffen und so schnell wie möglich wieder zurück zu sein.
Allein die Angst, ihre Pferde zugrunde zu richten, hatte sie davon abgehalten, den ganzen Rückweg im Galopp zu reiten.
Bald darauf trennten sie sich.
Während Saint-Lucq geradeaus in die Rue Montmartre weiterritt, nahmen La Fargue und Almadès die Rue des Vieux-Augustins . Dann bogen sie nach rechts in die Rue Coquillière ein und gleich wieder nach links. Schließlich hielten sie unweit des Palais’, das Kardinal Richelieu hatte erbauen lassen, vor einer Taverne in der Rue des Petits-Champs . Ihr Schild trug einen scharlachroten Adler.
Im Vergleich zum restlichen Straßenzug war die Fassade der Taverne leicht nach hinten versetzt, hinter einen breiten, bemoosten Steinbogen und einigen Klaftern aus abgetretenen Pflastersteinen. Männer mit Gläsern in der Hand standen auf Steinplatten herum – einige hatten sich um die drei Fässer versammelt, die als Tische dienen sollten, andere lehnten in den großen, offenen Fenstern, um mit denen zu schwatzen, die sich drinnen aufhielten. Fast alle waren wie Soldaten gekleidet, hatten Degen dabei, gebärdeten sich großspurig und trugen Narben zur Schau, die keinen Zweifel an ihrem Beruf aufkommen ließen. Außerdem redeten sie sich mit ihrem Dienstgrad und Namen an, und der war oft ein Kriegsname.
Als er vom Pferd gestiegen war, übergab La Fargue Almadès die Zügel seines Pferds und ging hinein.
Der Rote Adler war in Paris der Ort, den die Musketiere Seiner Eminenz zu frequentieren pflegten. Die Garde des Kardinals bestand aus zwei Kompanien: jene der Reitergarde und jene der unberittenen Musketiere. Erstere trugen den berühmten roten Umhang. Alle waren sie Edelmänner, schützten das Leben des Kardinals und begleiteten ihn überallhin.
Die unberittenen Musketiere dagegen waren Bürgerliche. Sie waren einfache Soldaten, verdingten sich nur für drei Jahre und hatten keinen so glänzenden Dienstrang inne wie die berittene Garde. Nichtsdestoweniger waren sie ausgezeichnete Kämpfer und verfügten über einen unverbrüchlichen Korpsgeist. Den Besten von ihnen fehlte allein die hohe Geburt, um Teil der Garde zu werden. Schon an der Türschwelle heftete La Fargue seinen Blick an den, den er als den Wirt kannte: ein großer, rothaariger Mann, der noch recht gut gebaut war, obwohl er schon ein wenig angesetzt hatte. Er hieß Balmaire und hinkte leicht, seit eine Verletzung den ehemaligen Musketier des Kardinals gezwungen hatte, den Degen abzulegen. Er trug ein weites Hemd, braune Beinkleider und
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