Drachenkampf
eine Schürze, die ihm etwas um die Taille spannte. Doch statt weißer Strümpfe und Schlappen, die man erwartet hätte, trug er zerschlissene, trichterförmige Stiefel, die darauf schließen ließen, dass seine Rolle als Wirt ihn nicht vollständig charakterisierte.
Als er La Fargue erkannt hatte, warf Balmaire ihm aus der Ferne einen stillen Gruß zu. Der alte Hauptmann antwortete auf dieselbe Weise und ging durch den Raum auf eine Tür zu, die über einen Gang zu einer steilen Treppe führte. Er erklomm sie und betrat auf der ersten Etage ein staubiges Zimmer mit schuppigen Wänden, vollgestellt mit Kisten, alten Möbeln und Stühlen, die längst neu bespannt werden mussten.
Ein großer, schlanker Edelmann stand dort nach vorne gebeugt und schaute durch das Fenster auf die Straße. Die rautenförmigen, dreckigen kleinen Scheiben, die teilweise durch Karton ersetzt waren, hielten mehr Licht ab, als sie hereinfallen ließen.
»Ihr seid zu spät«, sagte der Graf von Rochefort, ohne sich umzudrehen.
»Ich komme direkt vom äußersten Artois her«, antwortete La Fargue. »Und Ihr?«
Der andere richtete sich auf und wandte sich langsam vom Fenster ab. Er ging auf die fünfzig zu, hatte ein hochmütiges Gesicht, war groß, hatte bleiche Haut, dunkle Augen und einen stechenden Blick. Sein elegant gestutzter Bart war schwarz. Eine leichte Narbe schmückte seine Schläfe, wo ihn eine Kugel gestreift hatte.
Schweigend und unbeweglich wartete der alte Hauptmann.
»Ich wollte gerade gehen«, log Rochefort.
»Der Kardinal muss mich empfangen.«
»Wann?«
»So schnell wie möglich. Noch heute.«
Rochefort nickte zögerlich wie ein Mann, der das Für und Wider abwog. Man sagte von ihm, er sei der böse Geist von Richelieu. Tatsächlich war er derjenige, der für ihn die verhassten und gefürchteten niederen Arbeiten verrichtete. Vielleicht war er in Wirklichkeit aber nur sein auf Gedeih und Verderb ergebener und treuester, wenngleich auch skrupellosester Diener. Er war einer jener Männer, die ihrem Herrn blind gehorchen und ihm alle moralischen Entscheidungen überlassen. Auf diese Weise beging er manchmal Unbeschreibliches auf Befehl, aber nur auf Befehl.
»Habt Ihr die Italienerin getroffen, Hauptmann?«
»Ja. Letzte Nacht.«
»Und?«
»Der Kardinal muss mich empfangen.«
Die beiden Männer trugen ein kurzes Blickgefecht aus, bis Rochefort ein freudloses Lächeln andeutete und sagte: »Wir schätzen uns nicht besonders, nicht wahr?«
»So ist es.«
In Wirklichkeit hassten sich La Fargue und Rochefort. Leider waren sie im Dienste des Kardinals gezwungen, zusammenzuarbeiten, seit sich die Klingen wieder zusammengeschlossen hatten. Der Hauptmann nahm nur Befehle von Richelieu entgegen und fühlte sich ausschließlich ihm gegenüber der Rechenschaft schuldig. Aber der Graf war ein notwendiger Zwischenhändler.
»Ich kann nicht garantieren«, sagte Rochefort und richtete sein Wehrgehänge, »dass der Kardinal Euch demnächst empfangen wird.« Bereits zum Gehen gewandt, setzte er seinen Hut auf.
»Die Italienerin behauptet, von einem Komplott gegen den König zu wissen«, verriet La Fargue.
Rochefort zuckte zusammen. »Sieh an …«
»Und sie bietet an, es aufzudecken, wenn man auf gewisse Forderungen ihrerseits einginge.«
»Als hätte die Italienerin Forderungen zu stellen … Wie lauten sie?«
»Sie fordert den Schutz Seiner Eminenz.«
»Wenn es weiter nichts ist«, sagte der Mann des Kardinals spöttisch.
»Was spielt das schon für eine Rolle, wenn sie die Wahrheit spricht?«
»Ohne Zweifel, ja. Ohne Zweifel … Glaubt Ihr denn, dass sie die Wahrheit sagt?«
La Fargue zuckte mit den Schultern. »Wer weiß das schon? Aber hier ist etwas, das dem Kardinal möglicherweise dabei behilflich sein wird, eine Entscheidung zu treffen.«
Der alte Hauptmann übergab ihm einen verknitterten und fleckigen Brief, der aussah, als sei er nass geworden. Es handelte sich um das Schreiben, das ihm die Italienerin übergeben hatte, bevor sie auf dem Rücken der Wyverne ins Gewitter entflohen war.
»Von der Italienerin?«, fragte Rochefort.
»Ja.«
Er nahm den Brief entgegen und prüfte ihn nachlässig. Danach steckte er ihn in seine Tasche und ging zur Tür.
»Ich werde im Palais-Cardinal erwartet«, sagte er von der Türschwelle aus. »Dann werde ich Seine Eminenz im Louvre treffen.«
»Also gut«, antwortete La Fargue und warf einen Blick aus dem Fenster. »Aber die Zeit drängt! Die Italienerin hat
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