Drachenkampf
Diener zu sehen, den man aus Undank oder Missachtung vor die Tür gesetzt hatte und dessen berechtigte Ambitionen enttäuscht worden waren.
Er war also gekommen, um ihm einen neuen Herrn vorzuschlagen: »Ihr kennt die Welt. Man kann nicht weit kommen oder hoch hinauswachsen ohne einen wohlwollenden Förderer. Der, dem ich diene, würde Euch gern zur Riege seiner Freunde zählen. Ich habe vorher gesagt, dass uns Eure Verdienste bekannt sind. Zudem kennen wir Eure Tugenden, genauso wie Eure Talente, die endlich angemessen gewürdigt werden würden. Ich glaube, Ihr sprecht exzellent Spanisch. Und Ihr kennt Madrid wie Eure Westentasche …«
Laincourt reagierte nicht. Nach allem, was geschehen war, war sein zweijähriger Aufenthalt am Drachenhof kein Geheimnis.
Was er dort allerdings gemacht hatte, war weniger bekannt …
»Offen gesagt glaube ich nicht, dass ich meine Dienste wieder an jemanden binden möchte …«
Mirebeau machte ein freundliches Gesicht. »Ihr möchtet Bedenkzeit? Ich verstehe das und dringe nicht weiter in Euch.« Daraufhin zog er einen versiegelten Brief aus der Tasche und fuhr dann fort: »Aber stattet Eurem guten Engel wenigstens einen Besuch ab. Nehmt das. Treffpunkt ist in der Rue Saint-Thomas-du-Louvre . Kommt an dem Tag und zu der Stunde, die Euch belieben, und zeigt diesen Brief vor. Man wird Euch gern empfangen.«
»Einverstanden«, sagte Laincourt und nahm den Brief entgegen.
»Guten Abend, Monsieur.«
Der ehemalige Spion des Kardinals antwortete mit einem Lächeln, das ihn zu nichts verpflichtete, und sah dem Edelmann nach, als dieser zur Tür hinausging. Er stand auf, trat ans Fenster, sah Mirebeau bald in der Rue de la Ferronnerie auftauchen und nach Osten in Richtung Saint-Honoré -Viertel gehen. Ohne darüber nachzudenken, beschwor er die Gegenwart des Leierkastenspielers herauf, der sich näherte und ihm über die Schulter blickte.
»Willst du dir das Siegel des Briefs nicht genauer anschauen, Junge?«
»Das brauche ich nicht, um zu wissen, an wessen Tür ich klopfen muss.«
»Nein. Sicher nicht. Denn es gibt nur zwei große Anwesen in der Rue Saint-Thomas-du-Louvre , nicht wahr?«
Laincourt nickte und sah derweil mit zusammengekniffenen Augen dem sich entfernenden Mirebeau hinterher.
»Das eine«, sagte er, »ist das Palais der Marquise von Rambouillet. Sie unterhält dort, wie es scheint, einen Literatursalon von Rang.«
»Richtig«, sagte der Leierkastenspieler . »Aber das andere ist das Hôtel de Chevreuse , und ich denke, dass man dort eher hofft, dich zu sehen …«
In jener Nacht herrschte im Palais Épervier eine Stimmung wie vor einem großen Ereignis. Die Klingen, die sich im Waffensaal versammelt hatten, schlugen im Kerzenschein angespannt schweigend die Zeit tot. Leprat und Marciac spielten an einem Tischende Schach. Ballardieu hatte sich einem Fenster zugewandt, schaukelte auf seinem Stuhl und betrachtete den Nachthimmel, während er ein Glas Wein schlürfte. Agnès blätterte in einem Fechtlehrbuch.
Saint-Lucq lag auf einer Bank, hatte ein Bein angewinkelt, die Hände vor der Brust verschränkt und schlief möglicherweise. Almadès wetzte seinen Degen, indem er immer drei Mal mit dem Schleifstein über eine Seite der Klinge fuhr, bevor er ihn wendete.
Drei Schläge auf einer Seite …
… drei Schläge auf der anderen.
Drei Schläge auf einer Seite …
Naïs und Guibot hatten sich bereits schlafen gelegt. Nur die Klingen waren noch wach, außerdem André, der die gesattelten Pferde im Stall hütete, und ihr Hauptmann, der sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte.
… drei Schläge auf der anderen Seite.
… drei Schläge auf der einen Seite …
Alle waren gestiefelt, bewaffnet, bereit, in Aktion zu treten, sobald ihr Hauptmann das Startsignal geben würde. Sie mussten sich nur ihre Hüte schnappen, auf die Pferde springen und ihnen die Sporen geben. Innerhalb einer Stunde konnten sie überall in Paris sein. Geduldig warteten sie nur auf den Befehl.
… drei Schläge auf der anderen.
Wie würde sich die Italienerin zeigen? Und vor allem, wann? Es ging auf Mitternacht zu. Die Klingen warteten jetzt schon seit mehreren Stunden auf eine Nachricht oder ein Signal. Die schöne Spionin wusste, dass sie verfolgt wurde. Sie musste also doppelt vorsichtig sein.
Würde sie auf Umwegen mit ihnen in Kontakt treten? Aber wie? Vielleicht mit Hilfe von Dragunen? Ja, das war gut möglich, denn sie schien eine Neigung für diese kleinen Drachentiere zu
Weitere Kostenlose Bücher