Drachenkampf
das Anwesen in Schuss. Als Laincourt noch Leutnant bei der Garde Seiner Eminenz gewesen war, war der Posamentenhändler sehr darauf erpicht, sich seine Gunst zu erwerben, indem er ihm stets zu Diensten war. Aber das hatte sich geändert, seit der junge Mann seinen Umhang unter zweifelhaften Umständen, die die Gerüchteküche anfachten, abgegeben hatte.
Laincourt, der immer noch zögerte, ob er den Edelmann anhören sollte, fragte sich, was ihm der Leierkastenspieler unter diesen Umständen geraten hätte.
»Ich würde dir raten, diese Unterhaltung nicht zwischen Tür und Angel zu führen, Junge. Besonders nicht, wenn der feiste Laborde auf der Lauer liegt …«
»Also gut«, sagte der ehemalige Spion. »Tretet ein.«
»Danke, mein Herr.«
Laincourt ging dem Edelmann erst in einem Gang voraus, der ebenso schmal wie düster war, dann auf einer Treppe ohne Licht und Luft. Sie stiegen nach oben, indem sie sich am wackeligen Geländer festhielten, und das ehemalige Mitglied der Kardinalsgarde gemahnte aufgrund der schmalen Stufen zur Vorsicht. Im zweiten Stock fand er aus Gewohnheit auch im Dunkeln seine Tür. Er schloss auf und hielt sie dem Edelmann auf, der sich tappend vorwärtsbewegte. In der kleinen Wohnung herrschte graues Halbdunkel, das ein verschwommenes Lichttrapez auf den Treppenabsatz warf.
Zu Hause befreite Laincourt zunächst einer gewissen Gewohnheit folgend Marschall von seiner Leine. Dann scheuchte er den Dragun in seinen Käfig, riss ein Streichholz an und entzündete eine Kerze. Dann füllte er frisches Wasser in den Napf des kleinen Reptils, legte seinen Filzhut ab und hängte das Wehrgehänge auf. Erst dann interessierte er sich für den Edelmann, der mit dem Hut in der Hand wartete und sich umsah.
Die Wohnung bestand aus zwei schlecht belüfteten Zimmern. Sie war bescheiden und kärglich möbliert, entbehrte jeglicher persönlichen Note, war jedoch sauber und aufgeräumt – die Wohnung eines Junggesellen, der sich nicht gehen ließ.
»Monsieur«, sagte Laincourt, »ich besitze nur einen Stuhl, den ich Euch anbieten kann. Nehmt ihn, ich nehme den Hocker.«
»Nicht nötig, Monsieur. Ich werde Euch nicht lange behelligen.«
»Wie ihr wollt.«
»Erlaubt mir, dass ich mich vorstelle. Ich bin Chevalier de Mirebeau und …«
»Nur eine Sache, Monsieur, bevor Ihr fortfahrt.«
»Ja?«
»Senkt Eure Stimme. Durch diese dünnen Wände hört man alles«, erklärte Laincourt und klopfte mit dem Absatz auf den Boden – dabei stellte er sich vor, wie die Labordes mit Staub überzogen wurden.
»Verstehe«, erwiderte der Edelmann leiser.
»Also, was wollt Ihr, Monsieur Mirebeau? Seit fast einer Woche sehe ich Euch hier und da.«
»Verzeiht, aber ich beschatte Euch erst seit vier Tagen.«
»Sechs Tage. Während der ersten zwei Tage verstecktet Ihr Euch bloß.«
Das musste Mirebeau einräumen: »Ihr habt recht.«
Laincourt kümmerte sich nicht darum, ob er recht behielt oder nicht. »Also? Was wollt Ihr von mir?«
»Ich wurde damit beauftragt, Monsieur, Euch zu sagen, dass man sich über die Ungerechtigkeit wundert, die Euch widerfahren ist. Ich füge hinzu, dass man darüber bekümmert ist, Euch allein und untätig zu sehen, und dass man sich um Eure Zukunft sorgt.«
»Ein guter Engel wachte also über mich …«
»Eure Verdienste sind wohlbekannt, Monsieur. Noch vor einigen Wochen trugt Ihr den Umhang der Garden Seiner Eminenz. Ihr wart Leutnant und für den Dienstgrad des Oberleutnants vorgesehen. Ohne Eure Schuld hat man Euch den Umhang aberkannt. Danach hat man Euch ganz still und heimlich rehabilitiert, aber versäumt, Euch den Umhang, den Dienstgrad und die Ehre wiederzugeben, die Euch gebühren. Und man hat Euch mir nichts, dir nichts Eurem Schicksal überlassen …«
Laincourt prüfte den Blick des Edelmanns und versuchte, in ihm eine versteckte Wahrheit zu lesen. Was genau wusste er? Was wusste er über die Umstände, unter denen er, Laincourt, festgenommen und aus dem Dienst in der Kardinalsgarde entlassen worden war? Was wusste er von der gefährlichen Partie, die der Spion gegen die Agenten der Schwarzen Kralle gespielt hatte? Von dem Verzicht, den ihm seine Mission auferlegte? Von den Opfern, die sie ihm abverlangt hatte? Laincourt hatte diese Mission in voller Kenntnis der Sachlage übernommen. Und er war sich vollkommen bewusst gewesen, dass sie ihn seinen Dienstgrad und seinen Umhang kosten konnte, denn er kannte die Spielregeln.
Aber Mirebeau schien in ihm nur den loyalen
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