Drachenkampf
»Meister Teyssier erweckt oft diesen Eindruck.«
»Kennt Ihr ihn etwa?«
»Genug, um zu wissen, dass er einer der besten Gelehrten ist. Im Übrigen pflegt Seine Eminenz auch nicht, sich mit Mittelmaß zu umgeben.«
Unsicher zuckte die Baronin von Vaudreuil mit den Schultern und widmete sich wieder ihrem belegten Brot.
»Er hat von den Toten erzählt, die die Draqs hinterlassen haben, als sie des Nachts nach Paris eindrangen«, berichtete sie. »Er ist der Ansicht, die Unglücklichen seien der Ranz zum Opfer gefallen.«
Die Ranz war diese schreckliche Krankheit, der man nachsagte, dass sie von Drachen auf Menschen übertragen wurde, und die in ihrem letzten Stadium sowohl den Körper als auch die Seele zerstörte. Doch dieser Prozess zog sich lange hin. Man konnte jahrelang mit der Ranz leben.
»In nur wenigen Minuten?«, fragte La Fargue erstaunt.
Agnès nickte bloß, da sie gerade nicht antworten konnte, weil sie wieder einen zu großen Bissen genommen hatte.
Sie schluckte und fügte hinzu: »Meister Teyssier hatte in einem Glas das Herz von einem der Opfer. Ein schwarzes, abscheuliches Etwas, das ebenso gut aus dem Gerippe eines alten Ranzkranken hätte stammen können, das jedoch noch in der Nacht des Überfalls einem der Wachsoldaten entnommen worden war. Der Mann war keine dreißig Jahre alt …«
La Fargue verzog das Gesicht. »Die Draqs haben also einen Magier«, stellte er fest.
»Der Meinung ist Teyssier auch … Ist noch etwas Pastete da?«
Agnès hatte ihr belegtes Brot verschlungen und nahm mit gierigem Blick die übrigen Speisen auf dem Tisch in Augenschein.
»Ich mach das schon. Du berichtest lieber weiter, was der Zaubermeister gesagt hat.«
Und während der alte Edelmann ihr ein weiteres Brot schmierte, erklärte Agnès: »Meister Teyssier glaubt, dass die Draqs einen Magier auf ihrer Seite haben, mit dessen Hilfe sie die Spur der Italienerin verfolgen können. Er behauptet, dass sie sie früher oder später finden werden, außer natürlich, sie lassen ihr Vorhaben fallen …«
»… oder man hält sie auf.«
»Ja … bitte nicht zu viel Butter … Eigentlich müsste man ja nur den Magier ausschalten, damit die Italienerin nicht mehr in allzu großer Gefahr schwebt.«
»Könnte dann nicht einfach ein anderer Magier seine Nachfolge antreten?«
»Das waren auch meine Bedenken. Aber Meister Teyssier behauptet, das sei nicht so einfach. Es muss eine besondere Verbindung zwischen dem Magier und seiner Beute bestehen. Doch eine Verbindung dieser Art kann nicht so leicht hergestellt werden.«
La Fargue nickte ernst und dachte nach, während sich Agnès über die weitere Brotschnitte hermachte. Mit Rücksicht auf sein Schweigen kaute sie so leise wie möglich vor sich hin, schließlich sagte er: »Die Italienerin erwartet von uns, dass wir ihr diesen Magier vom Halse schaffen.«
»Wer weiß? Aber es ist ein riskantes Spiel, weil sich die Schlinge von Tag zu Tag enger um sie legt. Oder wie Meister Teyssier es ausgedrückt hat: Es ist ein bisschen so, als wäre es ein Netz, das der Magier jeden Tag weiter zuzieht. Oder vielmehr jede Nacht, da die draconische Magie ja eine mächtige Angelegenheit ist …«
»Aber immerhin war die Italienerin bis vor ein paar Tagen ganz auf sich allein gestellt. Und jetzt wird sie permanent von mindestens zwölf Musketen begleitet. Hinzu kommt noch Leprat, der allein so viel taugt wie sechs Männer. Ich denke also weiterhin, dass sich ihre Situation, was die Sicherheit betrifft, durchaus verbessert hat.«
»Dann hätte sie also das Komplott gegen den König nur erfunden, um uns zu zwingen, sie zu schützen?«
»Nein, denn schon bald müsste sie für ihre Behauptungen einstehen. Jedoch wette ich, sie hat die Karte mit diesem Komplott durchaus zu ihrem eigenen Vorteil ausgespielt … Morgen werde ich zu ihr gehen und selbst mit ihr reden.«
»Und was ist mit Arnaud de Laincourt? Sollte er uns nicht in dieser Sache unterstützen? Und hättet Ihr ihn nicht heute treffen sollen?«
»Wenn man Rochefort Glauben schenkt, kennt er die Italienerin gut und könnte uns tatsächlich von Nutzen sein. Aber er ist mir die Antwort schuldig geblieben, auch wenn ich ein gewisses Leuchten in seinen Augen gesehen habe, als ich die Italienerin erwähnte …«
»Ich glaube, er würde einen guten Mitstreiter abgeben.«
»Vielleicht.«
»Und der Kardinal denkt das auch …«
»Gewiss. Aber ich bin der Einzige, der entscheidet, wer den Ring trägt und wer nicht.«
La Fargue
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