Drachenkampf
trug am Ringfinger einen Siegelring aus Stahl, den auch alle anderen Klingen besaßen. Agnès de Vaudreuil trug ihren an einer Kette unter der Bluse.
Satt, wie sie nun war, unterdrückte sie ein Gähnen und streckte sich. »Hauptmann, mit Eurer Erlaubnis würde ich mich gern wieder in meine Kammer zurückziehen und versuchen, diese paar frischen Stunden, die die Nacht uns noch gönnt, zum Schlafen zu nutzen.«
»Ja. Es ist ziemlich spät geworden.«
Die junge Frau erhob sich. »Und danke für die Brote«, sagte sie mit einem Lächeln.
Ein Lächeln, das La Fargue auf väterliche Weise erwiderte. »Ach, da fällt mir ein«, sagte er beiläufig. »Wo hast du eigentlich Marciac gelassen?«
»Der ist zum Spielen bei der Sovange. Und ich glaube, er wollte morgen Gabrielle einen Besuch abstatten.«
»Ach so … Gute Nacht, Agnès.«
»Bis morgen, Hauptmann.«
Zu Hause in seinem Bett bemühte sich Arnaud de Laincourt, im Schein einer Kerze zu lesen. Aber er musste feststellen, dass er sich nicht konzentrieren konnte. Also gab er es schließlich auf, legte das Buch aufgeschlagen auf seine Brust, verschränkte die Finger im Nacken und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Dann, aus den Schatten, die ihn verfolgten, sagte die Erinnerung an den Leierspieler zu ihm: »Du denkst über das Angebot der Herzogin von Chevreuse nach.«
»Ja.«
»Das Haus Chevreuse ist eines der angesehensten Häuser Frankreichs. Unter der Gönnerschaft der Herzogin wird es einem Mann wie dir nach einigen Jahren weder an Ruhm noch an Ehre fehlen … Aber ich kann mir denken, in welcher Zwickmühle du dich befindest: einem, der dem Kardinal so gute Dienste erwiesen hat, dem muss es, wenn er sich der Herzogin und ihrem Lager anschließt, vorkommen, als würde er zum Feind überlaufen. Und dann ist da ja auch noch La Fargue, nicht wahr? …
»Ja« , stimmte ihm Laincourt zu.
»Was wollte er denn heute genau?«
»Er wollte meine Hilfe in einer heiklen Angelegenheit, in die die Italienerin verwickelt ist.«
»Im Grunde heißt das doch, dass der Kardinal dich wieder in seinen Dienst beruft.«
»Zweifelsohne, ja …«
Beide schwiegen.
Dann, kurz bevor Laincourt ihn aus seinen Gedanken verbannte, sagte der Leierspieler noch: »Du wirst eine Entscheidung treffen müssen, mein Sohn … Und zögere nicht zu lang, denn sonst könnten andere sie für dich treffen.«
Von den drei Graudraqs, die Saint-Lucq seit seiner Ankunft auf der Schuppeninsel verfolgt hatten, lagen zwei im Schmutz; das Blut färbte ihn noch dunkler. Es war am Ende einer Gasse – sie hatten angenommen, dass sie einem Opfer, das zwar bewaffnet, aber allein war und sich offensichtlich der lauernden Gefahren nicht bewusst, ganz leicht den Hals umdrehen könnten. Was den dritten Draq betraf – der wurde von der Spitze eines Rapiers in Schach gehalten, die ihm schon an der Kehle kratzte, und versuchte zu begreifen, wie derjenige, den sie verfolgt hatten, sie hatte überraschen und überwältigen können. Alle drei waren mit gezückten Degen in diese Gasse gegangen, ihre Draqsinne hatten die Dunkelheit und Stille abgesucht, und wie aus dem Nichts hatte der Tod zweimal zugeschlagen.
In der nächtlichen Finsternis war Saint-Lucq mit zwei roten Scheiben anstelle von Augen nur eine Silhouette mit erhobenem Rapier, das kein bisschen zitterte und in dessen Klinge sich das blasse Mondlicht verfing.
»Erst wirst du zuhören«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Dann wirst du nachdenken. Und erst dann wirst du reden … Rede nicht, bevor du nicht nachgedacht hast, und vor allem rede nicht, bevor du mir gut zugehört hast. Verstanden? Du darfst antworten.«
»Ja«, sagte der Draq.
»Perfekt. Dies ist der Moment, in dem du zuhörst. Sieben Schwarzdraqs. Söldner. Seit fünf Tagen in Paris, und seit fünf Tagen hat sie niemand gesehen. Das kann nur eines bedeuten: Sie verstecken sich seit fünf Tagen auf der Schuppeninsel. Ich will sie finden, und ich zähle auf deine Hilfe. Trotzdem erwarte ich nicht, dass du mich zu ihnen führst. Ich begnüge mich mit ein oder zwei Auskünften. Nur das, aber nichts weniger … Hast du auch gut verstanden, was ich dir gerade gesagt habe?«
Der Draq, immer noch von der Degenspitze an seiner Kehle in Schach gehalten, nickte lediglich.
»Gut«, sagte Saint-Lucq. »Und jetzt ist der Moment gekommen, in dem du nachdenkst …«
Auf Schloss Fuchsbau hatte Alessandra di Santi die Sonne aufgehen sehen, und nun näherte sich die Stunde, in der die Kammerzofe an ihre Tür
Weitere Kostenlose Bücher