Drachenkampf
Kleidung einer abstoßenden Rasse, die er, ein ehrwürdiger Drache, zu tragen gezwungen war.
Er streckte die Hand nach einer filigranen Likörkaraffe in einer Schatulle aus und füllte ein kleines Gläschen mit einer gelben, dicken Flüssigkeit, die wie liquides Gold schimmerte. Es handelte sich um Goldenes Bilsenkraut, oder, genauer noch, um einen Likör aus Goldenem Bilsenkraut, dieser Pflanze, deren Anbau, Verkauf und Konsum in Frankreich ebenso verboten war wie fast überall in Europa. Aus ihr konnten Zaubertränke und Extrakte gewonnen werden, die bei Magiern beliebt waren. Doch für gewöhnliche Sterbliche handelte es sich um eine starke Droge. Besonders geschätzt wurde sie von einer nervösen Oberschicht; in diesen Kreisen wurde sie rege unter der Hand verkauft.
Es klopfte an der Tür.
Der sogenannte Mauduit machte die Likörschatulle wieder zu, setzte sich aufrecht hin und versteckte das Glas, bevor er den Gast hereinbat. Aber derjenige, der erschien, kannte seine Geheimnisse. Es war ein Auftragsmörder mit stumpfem Teint und kantigen Zügen. Er trug Stiefel, Handschuhe und den Degen an der Seite. Seine Kleider und sein Hut waren aus schwarzem Leder. Eine Maske – auch sie aus schwarzem Leder mit silbernen Verzierungen – verbarg sein linkes Auge, ließ aber dennoch den Ranzfleck erkennen, der sich über seine Wangenknochen, die Schläfe und den Augenbrauenbogen erstreckte.
Der Alchemist entspannte sich, holte sein Glas aus dem Versteck und zeigte auf die Schatulle, während sich sein Besucher in einen Sessel fallen ließ.
»Möchtet Ihr auch davon?«
»Nein«, erwiderte der Einäugige mit starkem spanischen Akzent.
Langsam und mit geschlossenen Augenlidern trank der Alchemist das Gebräu und genoss jeden Tropfen. Die Drachen ergötzten sich an dem Bilsenkrautlikör. Für ihren Gaumen war er köstlich, aber vor allem half er ihnen, in Verbindung mit ihrer wahren Natur zu treten. Dies erwies sich häufig als nötig. Denn wenn sogar die Drachen der Ursprünge einst Mühe hatten, eine menschliche Erscheinung anzunehmen und beizubehalten – wie viele der Letztgeborenen waren dann nicht einmal in der Lage, auch nur vorübergehend eine draconische Form aufrechtzuerhalten? Der Alchemist hätte es als Schande empfunden, es zuzugeben, aber auch ihm fielen die Metamorphosen immer schwerer. Die letzte im Elsass hatte sich als besonders schmachvoll erwiesen. Sie hätte ihn beinahe umgebracht, und ohne den goldenen Likör wäre es ihm womöglich überhaupt nicht gelungen, sich zu verwandeln. Zudem wären die Schmerzen in diesem Moment gewiss unerträglich gewesen.
»Wirklich nicht?«, hakte der Alchemist nach, als er sich erneut das Glas füllte. »Er ist köstlich.«
Diesmal begnügte sich der Ranzkranke damit, schroff den Kopf zu schütteln.
Er nannte sich Savelda, und genau wie der Alchemist diente er der Schwarzen Kralle. Er war der Handlanger der Anführer dieser Geheimgesellschaft. Oder vielmehr ein getreuer Gefolgsmann, der ihr Vertrauen genoss; derjenige, der von den Altehrwürdigen der Ersten Loge geschickt wurde, wenn eine Sache von großer Wichtigkeit war, derjenige, der ihre Befehle ausführte, ohne sie jemals in Frage zu stellen.
»Nun?«, fragte Savelda. »Dieser Besuch bei der Malicorne?«
»Sie ist am Ende.«
»Ich hatte es Euch doch gesagt.«
»Ich musste mich selbst vergewissern … Wie dem auch sei, von ihr haben wir keinerlei Hilfe zu erwarten. Schade. Ich bin überzeugt, dass sie von unseren Plänen angetan gewesen wäre. Sie hätte sicher allzu gern daran teilgehabt …«
»Zweifellos.«
Der Alchemist machte eine Geste, als schiebe er eine Angelegenheit zur Seite, die er definitiv ad acta legen wollte. »Wie kommt Ihr mit den Rekrutierungen voran?«, erkundigte er sich.
»Es geht voran. Aber es ist kein Leichtes, in so kurzer Zeit brauchbare Männer zu finden.«
»Was erwartet Ihr? Diejenigen, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, sind im Elsass umgekommen, also tut Euer Bestes.« Der Alchemist ballte die Faust, seine Augen blitzten. »Verfluchte Burgschwestern!«, zischte er. »Um ein Haar hätten sie mich erwischt. Wenn es mir nicht gelungen wäre, die ursprüngliche Form anzunehmen …« Er erhob sich und trat kopfschüttelnd ans Fenster.
»Was das betrifft …«, sagte Savelda nach einer Weile. »Unsere Anführer sind alarmiert. Die Erste Loge unterstützt Euer Projekt noch immer, aber dass Euch nun die Burgschwestern in die Quere kommen, beunruhigt sie doch
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