Drachenkampf
gebrochen hatte, als vielmehr, dass er besiegt, verletzt und lächerlich gemacht worden war. Die Draqs mochten die Schwachen nicht. Und die, die sich an Ni’Akt vergriffen, langweilten sich außerdem.
Seit fast einer Woche mussten sie sich nun schon in dieser baufälligen und verwitterten Bruchbude im hintersten Winkel der Schuppeninsel verkriechen. Im Keller unterzog sich ihr Saaskir, ihr Priester-Magier, den nötigen Ritualen, um diese Frau wiederzufinden, die sie laut Befehl hätten töten sollen. Aber sie selbst hatten nichts zu tun. Es war ihnen sogar verboten, hinauszugehen – eine Anordnung von Kh’Shak, ihrem Anführer. Unter diesen Umständen war Ni’Akt eine willkommene Abwechslung für sechs Schwarzdraqs, die durch die Untätigkeit und das Eingeschlossensein verrückt zu werden drohten.
Vor Wut zitternd, mit pochenden Schläfen und brennendem Blick, hatte Ni’Akt Mühe, sich zu beherrschen. Es war Ta’Aresh, der ihn geschlagen hatte, in dem Moment, als er sich gerade absondern wollte, um zu essen, was die anderen ihm gütigerweise übrig gelassen hatten. Ta’Aresh, der Größte und Stärkste unter ihnen nach Kh’Shak. Ta’Aresh, der ihn verächtlich ansah und aufforderte, sich zu wehren.
Ni’Akt zögerte.
Die Gepflogenheiten der Draqs erlaubten es ihm, zurückzuschlagen, wie sie es ganz allgemein erlaubten, jedes kleinste Problem und jede Streitigkeit mit Gewalt zu lösen. Allerdings konnte Ni’Akt es sich nicht erlauben zu verlieren. Wenn er Ta’Aresh nun schlug, konnte dieser seine Ehre bloß wiederherstellen, indem er ihn tötete. Also wäre ein Kampf auf Leben und Tod die Folge …
Der junge Draq zog es vor, zurückzuweichen und damit noch einmal verächtliches Gelächter auf sich zu ziehen.
Aber er hatte einen Plan.
Heute Morgen hatte er Kh’Shak, der gerade von einem heimlichen nächtlichen Streifzug zurückkam, dabei erwischt, wie er sich mit dem Saaskir unterhielt. Ihr Anführer hatte erfahren, dass ein Mischblut auf der Suche nach ihnen war, dass er viele Fragen stellte und Leichen seinen Weg säumten. Offenkundig hatte er weder Bedenken noch Angst, sich auf die Schuppeninsel vorzuwagen. Dafür schien er unter den Draqs eine gewisse Furcht zu verbreiten …
Genau wie Kh’Shak, dessen Beunruhigung zunahm, war auch Ni’Akt überzeugt, dass es sich bei diesem Mischblut um dasselbe handelte, das sie in der Nacht getroffen hatten, als sie die Italienerin beinahe erwischt hätten: die gleiche schwarze Kleidung, der gleiche scharlachrote Federbusch am Hut und vor allem die gleiche runde Brille mit den roten Gläsern.
Das Schicksal bot dem jungen Draq die Gelegenheit, sich von der Schmach reinzuwaschen. Heute Nacht würde er sich heimlich davonstehlen, und wenn ihm das Glück hold wäre, würde er das Mischblut finden.
Und dann würde er es töten und Ta’Aresh seinen Kopf vor die Füße werfen.
Die prunkvolle Kutsche der Italienerin wollte gerade wieder nach Schloss Fuchsbau aufbrechen, als La Fargue und Laincourt, gefolgt von Almadès, in leichtem Trab in den Hof des Grand Châtelet geritten kamen.
Das Châtelet war ein finsteres Befestigungsbauwerk, das ursprünglich dazu errichtet worden war, den Pont-au-Change zu sichern. Doch die Ausweitung der Stadt Paris und der Bau der Ringmauer unter Philippe-Auguste am Ende des zwölften Jahrhunderts hatten diese Funktion überflüssig werden lassen. Wuchtig, düster und bereits recht baufällig erhob sich Châtelet am rechten Seineufer. Seine Vorderseite überblickte die Rue Saint-Denis und war nun der Sitz der Gerichtsbarkeit der Vogtei von Paris. Das Gebäude bestand aus mehreren runden Türmen und einem großen, viereckigen Pavillon, einer Art Burgfried, der ein Gefängnis beherbergte. Man betrat es durch einen Gewölbegang, der von zwei Türmen flankiert wurde. Er war ziemlich lang und schmal und mündete in einen engen, übel riechenden Hof, in dem angelangt sich alsbald die ganze Tristesse des Orts auf die Schultern der Besucher legte.
Monsieur de La Houdinière, der Hauptmann der Kardinalsgarde, hatte den Arm bereits erhoben, um dem Kutscher und der Eskorte das Zeichen zum Aufbruch zu geben. Doch er hielt in der Bewegung inne, als er La Fargue erblickte, und zog die Augenbraue hoch, da er Laincourt erkannte, dessen direkter Vorgesetzter er gewesen war, bis dieser die Kompanie der berittenen Garde Seiner Eminenz verlassen hatte. La Houdinière war damals nur Oberleutnant gewesen, und die genauen Umstände von Laincourts
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