Drachenkampf
kennengelernt, als Aubusson noch viel herumreiste.«
»Vielleicht war sie ja seine Mätresse«, mutmaßte La Fargue nicht ohne Hintergedanken.
»Ja«, antwortete Laincourt ungerührt.
»Und vielleicht ist sie es noch«, fügte der alte Edelmann hinzu, indem er den anderen aus dem Augenwinkel betrachtete. »Man hat mir berichtet, dass sie manchmal auch dieses Mittel nutzt, um ihre Ziele zu erreichen …«
»Wir sind gleich da.«
Aubusson las gerade, als sein Diener zu ihm kam und ihm Bescheid gab, dass drei Reiter den Weg zu seinem Landsitz heraufgeritten kamen. Besucher waren hier selten. Der Maler verstand sofort, um was es ging, und dankte seinem jungen Bediensteten. Er legte das Buch beiseite und ging in sein Zimmer, um dort die Mappe aus dickem Leder zu holen, die ihm Alessandra eine Woche zuvor anvertraut hatte. »Du wirst wissen, wann der Moment gekommen ist, wenn ein gewisser Hauptmann La Fargue diese Papiere abholen kommt«, hatte sie zu ihm gesagt. »Du wirst ihn leicht erkennen. Ein ergrauter Edelmann, aber groß, kräftig und voll Autorität. Sein Kommen wird das Zeichen für dich sein.«
Aus dem Zimmerfenster in der ersten Etage sah Aubusson die Männer im Schritt auf den Hof reiten und erkannte La Fargue sogleich.
Aubusson rief seinen Diener: »Jeannot!«
»Ja, mein Herr?«
»Wenn der älteste der drei Reiter, die da kommen, dir gesagt hat, dass sein Name La Fargue ist, dann übergibst du ihm dies hier.«
Der junge Bedienstete nahm die Mappe, zögerte jedoch.
»Die Sache ist ausgemacht, und er wird dir keine Fragen stellen«, erklärte der Maler.
Also beeilte sich Jeannot. Hastig ging er die Treppe hinunter, durchquerte das Vestibül mit den steinernen Bodenplatten, auf denen seine Absätze klapperten, trat hinaus auf die Freitreppe und eilte den Besuchern mit großen Schritten entgegen.
Ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, im Verborgenen zu bleiben, verfolgte Aubusson die Szene vom geöffneten Fenster aus. Nachdem sie einige Worte gewechselt hatten, reichte der Diener La Fargue die Ledermappe. Dieser löste die Schleife, mit der sie zusammengebunden war, warf ungerührt einen Blick auf die Dokumente, und schloss sie wieder.
Dann blickte er hinauf zu dem Maler, als warte er auf eine Bestätigung.
»Ist das alles?«, schien er zu fragen.
Aubusson nickte ihm betont und ernst zu, worauf der alte Edelmann zum Abschied leicht den Kopf neigte, bevor er seinen Begleitern das Zeichen zum Aufbruch gab.
Der Porträtmaler sah zu, wie sich die Reiter im Trab entfernten, und wartete, bis sich sein Diener wieder zu ihm gesellt hatte.
»Mein Herr?«
»Lauf ins Dorf und bitte den Postmeister um zwei gesattelte Pferde.«
»Zwei, mein Herr?«
»Ja, zwei. Und trödle auf dem Weg nicht herum …«
Der junge Diener machte, dass er fortkam.
»… denn heute Nacht ist es so weit«, fügte Aubusson an sich selbst gerichtet hinzu.
»Und nun?«, fragte Laincourt mit lauter Stimme, um das Hufgetrappel zu übertönen.
»Nehmt«, antwortete La Fargue, ohne sein Tempo zu drosseln, und übergab ihm die Ledermappe, die er von Aubusson bekommen hatte.
Der frühere Spion des Kardinals ließ sie schnell in seinem Wams verschwinden. »Was soll ich damit machen?«, fragte er.
»Ihr bringt sie in die Rue des Enfants-Rouges zu Meister Teyssier. Er ist der …«
»Zaubermeister Seiner Eminenz, ich weiß. Aber warum?«
»Damit er diese Dokumente studiert und über ihre Echtheit befindet. Mir reicht eine erste Einschätzung. Ihr wartet ab, wie er sich äußert, und trefft mich dann im Palais Épervier . Almadès und ich werden uns sofort dorthin begeben, falls es Neuigkeiten für mich gibt.«
»Neuigkeiten von der Italienerin?«
»Unter anderem, ja.«
»Würdet Ihr mir auch sagen, um was es sich bei den Dokumenten handelt, die ich bei mir trage?«
»Falls sie das sind, was sie zu sein scheinen, wurden sie der Schwarzen Kralle entwendet. Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn ich glaube, sie sind auf Draconisch verfasst …«
Saint-Lucq wich taumelnd zurück, lehnte sich gegen eine verwitterte Wand und wartete mit geschlossenen Augen, bis er seine innere Ruhe und seinen Atem wiedererlangt hatte. Seine Kräfte und klares Bewusstsein kehrten zurück, und das Herz hörte auf, wie wild zu klopfen. Dann atmete er tief durch und öffnete die Augen.
Der tote Körper zu seinen Füßen lag in einer Lache aus schwarzem Blut, die immer größer wurde. Der Kampf hatte hinter der Biegung einer menschenleeren Gasse auf der
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