Drachenkampf
Schuppeninsel stattgefunden, und es schien, als sei niemand darauf aufmerksam geworden, was ihn erst einmal erleichterte. Aber es konnte jeden Augenblick jemand auftauchen. Der Abend brach an, und das bedeutete, dass es auf der Schuppeninsel schon bald von Gesellen wimmeln würde, denen das Mischblut lieber keine Rechenschaft ablegen wollte – schon gar nicht mit Draqblut an den Händen.
Saint-Lucq steckte sein Rapier ein. Dann rückte er die rote Brille auf der Nase zurecht, ging in die Hocke und drehte die Leiche um, um sie genauer zu betrachten.
Ein Draq also.
Ein Schwarzdraq. Jung, und auf der Wange eine üble Wunde, an der das Mischblut ihn unerwartet erkannte: Es war der Auftragsmörder, den er provoziert und dem er einen Schmiss beigebracht hatte in jener besagten Gewitternacht im Artois. Es sah aus, als habe er Saint-Lucq ausfindig gemacht und der Versuchung, sich an ihm zu rächen, nicht widerstehen können. Hatte er seinen Kameraden Bescheid gegeben? Ganz offenbar nicht, denn sonst hätte es Saint-Lucq nicht mit bloß einem impulsiven, unbesonnenen Gegner zu tun bekommen, sondern mit einem ganzen Trupp Söldner, der ebenso entschlossen wie organisiert gegen ihn vorgegangen wäre.
Saint-Lucq richtete sich wieder auf.
Er sah sich um, atmete die feuchte Luft ein und war plötzlich zuversichtlich, rasch am Ziel zu sein. Schon bald würde er den Unterschlupf der Draqs, die auf die Italienerin angesetzt waren, entdeckt haben.
Wieder in Paris, ließen La Fargue und Almadès Laincourt zu Beginn der Rue des Enfants-Rouges zurück und ritten dann weiter die Rue du Temple entlang. Sie nahmen den Pont-au-Change , ritten über die Île de la Cité und überquerten den kleinen Arm der Seine über den Pont-Saint-Michel . Am linken Seineufer angekommen, passierten sie bald darauf das Stadttor zu Buci und gelangten in den Faubourg Saint-Germain , wo sie in der Rue Saint-Guillaume das Palais Épervier erreichten. Sie übergaben André ihre Pferde, und La Fargue trommelte umgehend seine Truppe zusammen. Allein Leprat und Saint-Lucq fehlten, da sich Ersterer auf Schloss Fuchsbau befand und Letzterer die Schuppeninsel durchforstete. Also waren es Agnès, Marciac und Ballardieu, die sich in der großen Halle, die zum Waffensaal umfunktioniert worden war, zu ihrem Hauptmann und Almadès gesellten.
La Fargue fragte zunächst, ob es Neuigkeiten aus Schloss Fuchsbau, dem Kardinalspalais, dem Louvre oder sogar aus Châtelet gab. Als dies verneint wurde, fasste er die Ereignisse des Nachmittags zusammen. Danach – und sogar zwischendurch – musste er Fragen zu Aubusson, Laincourt, der Italienerin und vor allem zu den besagten Dokumenten, die er von dem Maler erhalten hatte, beantworten. Das Ganze dauerte eine gute Stunde.
»Also«, resümierte Marciac, »nachdem sie die Existenz eines Komplotts gegen den Thron offengelegt hat, tanzt die Italienerin ein Woche lang einen merkwürdigen Pas de deux mit Monsieur de Laffemas, und eines schönen Tages beschließt sie, dass sie nur mit Laincourt reden möchte und verrät ihm ohne Umschweife, an wen wir uns wenden müssen, um die nötigen Beweise zu erhalten?«
»So ist es«, bestätigte La Fargue.
»Bin ich etwa der Einzige, den das erstaunt?«
Keiner wusste eine Antwort darauf, abgesehen von Ballardieu, der murmelte: »Ich finde, diese Italienerin ist ziemlich launenhaft. Wenn ihr meine Meinung wissen wollt: Um sie zur Vernunft zu bringen, müsste man ihr bloß mal ordentlich den Hintern versohlen.«
Die anderen schauten sich gegenseitig an und fanden, dass das, was der alte Soldat sagte, nicht ganz unsinnig war. Doch es war allein Marciac, der sich das Hinternversohlen lebhaft vorstellte.
»Aber das ist nicht das Wichtigste«, sagte Agnès. »Letztendlich ist es doch unser Glück, dass die Italienerin ihren eigenen Vorteil in dieser Angelegenheit sieht, ansonsten hätte sie das geheime Komplott wohl für sich behalten oder es an den Meistbietenden verschachert. Worauf es jedoch ankommt, ist eben dieses Komplott. Unsere erste Pflicht ist es, den König, die Königin und den Kardinal zu schützen, und nicht über die geheimen Beweggründe einer ausländischen Spionin zu spekulieren.«
»Meinetwegen«, sagte der Gascogner. »Aber was hat es nun mit diesen Papieren auf sich, die wir bei dem Maler gefunden haben? Bestätigen sie denn wenigstens irgendein Komplott?«
La Fargue zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Ich kann nur sagen, dass diese Dokumente, wenn sie denn echt
Weitere Kostenlose Bücher