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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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auf?
    Drei Tage lang vegetierte ich auf meiner vollgekotzten Matratze vor mich hin und bekam kaum etwas mit. Dann klopfte es an meine Tür, und Anissa schaute schüchtern um die Ecke. »Dadgul sagt, dir ist nicht gut?!«
    »Nein«, flüsterte ich schweißgebadet. »Nein, Anissa, mir ist nicht gut.«
    »Kann ich dir helfen?«
    Anissa stützte mich und half mir ins Bad. »Was hast du nur?«
    »Ich glaube, die Bratkartoffeln waren schlecht.«
    »Aber Palwasha hat sie extra für dich gemacht, ganz frisch …«
    »Habt ihr auch davon gegessen?«
    Anissa schüttelte den Kopf.
    »Palwasha hat alles weggeworfen, nachdem du es nicht aufessen wolltest.«
    Ja, es geht uns hier in Afghanistan ja auch so gut, dass wir bergeweise Essen wegwerfen können!, dachte ich.
    »Was war das denn für ein rotes Pulver auf den Kartoffeln, Anissa?«
    »Paprikapulver, das magst du doch so gern!«
    »Bring mir mal die Verpackung!«
    Anissa brachte mir eine kleine Papiertüte. Ich suchte nach meiner Lesebrille und kniff die Augen zusammen. »Henna«, las ich entsetzt. »Ihr habt mir Haarfarbe ins Essen getan!«
    »Oh, Ade Sheni Hagei , das kann doch gar nicht sein!« Anissa war aufrichtig bestürzt. »Das muss eine Verwechslung sein. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte …«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
    »Wer hat dieses Pulver ins Essen getan?«, fragte ich. Als sie nicht antwortete, schüttelte ich sie.
    »Dadgul!« Sie schluchzte. »Er hat gemeint, dir kann es gar nicht scharf genug sein!«
    »Das Haarfärbemittel ist schwer giftig und greift die Nieren an«, sagte ich matt. Zum Schreien hatte ich keine Kraft mehr. »Das war kein Versehen, nicht wahr?«
    »O doch, bestimmt, Ade Sheni Hagei! Nie würden wir so etwas absichtlich tun, du bist doch unsere große Mutter, hast Papa das Leben gerettet!«
    Anissa brachte mir zwei Packungen weißes, labberiges Toastbrot, das sie im Laden für mich erstanden hatte.
    »Bitte, Ade Sybille. Iss! Du musst wieder zu Kräften kommen.«
    Wenigstens sie schien nicht in das Komplott verwickelt gewesen zu sein.
    »Was ist mit den Presseleuten?« Ich saß auf der Bettkannte und mümmelte an dem schwammartigen Brot. »Haben die mich nicht vermisst?«
    »Dadgul hat die Interviews allein gegeben. Er hat ihnen gesagt, du seist – unpässlich. Eine kleine Magen-Darm-Verstimmung. Alle haben gelacht und meinten, die hätten sie schon hinter sich.«
    Davon lasse ich mich nicht unterkriegen!, dachte ich, während die erste halbe Toastscheibe von meinem entwöhnten Magen willkommen geheißen wurde. Die Leute hier brauchten mich. Besonders die Frauen und Kinder. Ich würde sie nicht im Stich lassen, nur weil Dadgul mich einschüchterte. So schnell warf eine Sybille Schnehage nicht das Handtuch.
    Während ich noch überlegte, wie es nun weitergehen sollte, hörte ich draußen plötzlich Geschrei, Hilferufe, lautes Weinen.
    Was war denn nun schon wieder los!
    »Anissa, sieh nach, was da passiert ist!« Obwohl ich noch recht wackelig auf den Beinen war, torkelte ich zum Fenster. Eine Menschenmenge stand aufgeregt vor dem Tor, debattierte, raufte sich die Haare – und alle waren bis zur Hüfte nass!
    Auch Dadgul, der gerade aus dem vorfahrenden Auto sprang, war offensichtlich baden gegangen.
    Es war doch blauer Himmel!
    »Hochwasser! Ade Sheni Hagei, der Fluss ist über die Ufer getreten!«
    »Wie? Das Bächlein, das manchmal sogar komplett ausgetrocknet ist?«
    »Schau doch!«
    Draußen im Hof standen Sabet, Hamidullah, Assad und ein paar andere Männer. Alle waren nass und komplett verdreckt! Sie gestikulierten wild und riefen immer wieder meinen Namen.
    » Ade Sheni Hagei! Du musst helfen! Die Brücke nach Katachel Arab ist weggerissen, und die Häuser in der Neubausiedlung sind alle überschwemmt!«
    Anissa eilte wieder herein. »Euer neues Haus steht auch unter Wasser!«
    »Ach du Scheiße!«, entfuhr es mir. Also, DAS konnte sich Dadgul beim besten Willen nicht ausgedacht haben. Oder stand er so eng mit dem Teufel im Bunde?
    Egal. Jetzt musste gehandelt werden. Ich schlüpfte in mein Ausgehhemd und meine Pluderhosen, band mir meinen Turban um und stiefelte hinaus.
    Die beiden Presseleute waren auch noch da und fotografierten das Elend. »Mensch, Mama, was machst du denn für Sachen!«, begrüßte mich Dadgul scheinheilig. »Geht’s dir wieder besser?!«
    »Alles bestens. Kleine Magenverstimmung«, sagte ich zu den Journalisten. »Wo brennt’s denn?!«
    Dadgul öffnete das

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