Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
ich gute Miene zum bösen Spiel.
    Dadgul musste nach Hause gehen, und ein paar männliche Gäste halfen beim Tragen der Matten.
    Aber während der ganzen Zeremonie kochte ich vor Wut. Diese Demütigung hatte mich genauso getroffen wie Dadgul, wenn nicht noch mehr. Er kannte ja diese Zimtziege Brechenmacher nicht, aber ich musste noch jahrzehntelang mit ihr in enger Nachbarschaft leben. Wenn sie Dadgul wenigstens ein Stück von der tollen Hochzeitstorte rübergebracht hätte zum Trost. Aber selbst das brachte die arrogante Kuh nicht fertig. Im Gegenteil. Den ganzen Abend quälte sie mich mit beleidigten Blicken. Kaum dass Vanessa ihren letzten Salto gemacht hatte, zerrte ich meine Kinder aus dem Saal.
    »Sagen Sie mir Bescheid, wenn alle Gäste weg sind«, sagte ich knapp zur Gastgeberin. »Dann kann der Sklave kommen und die Matten wegräumen.« Ich spuckte förmlich vor ihr aus vor lauter Verachtung. »Schönen Abend noch. Wir sehen uns dann in der Kirche, wenn von Nächstenliebe und Toleranz gepredigt wird!«
    »So, Dadgul. Es hilft nix, du musst Deutsch lernen.« Vanessa kletterte auf die Küchenbank und legte ganz vorsichtig ihr Lesebuch aus der ersten Klasse auf die Wachstischdecke. »Pu, der Bär. Das ist Pu«, las sie vor, indem sie mit dem Bleistift auf jede Silbe zeigte.
    Dadgul sah mich hilfesuchend an. Das Kind schweige in der Küche! Besonders das weibliche Kind! Dadgul wollte sich in seinen Lieblingssessel verziehen und fernsehen!
    »Nix da«, sagte ich. »Vanessa hat recht. Pu, der Bär. Na los.«
    Was blieb dem armen Freiheitskämpfer und Opfer des Djihad auch anderes übrig: Jetzt war er Opfer der gestrengen Lehrerin Vanessa.
    »Pu, der Bär«, röchelte er durch seine Gaumenspalte.
    »Das ist Pu«, sagte Vanessa unerbittlich.
    »Das ist Pu«, wiederholte ihr Schüler brav. »Was Pu?«, fragte er mich.
    »Bär!«, sagte ich ungerüht. Keine Ahnung. Gab es in Afghanistan Bären? Sorry, ein Lesebuch mit Kamelen und Ziegen hatten wir leider nicht. »Los. Und jetzt noch mal alles zusammen.«
    So zwangen wir unseren lieben Dadgul mit weiblicher Taktik, lesen und schreiben zu lernen.
    »Opa ruft, Oma sagt, Papa arbeitet, Mama kocht.« (Ich wollte Dadgul jetzt nicht gleich mit so ungeheuerlichen Thesen wie »Mama arbeitet, Papa kocht« überfordern.)
    Vanessa bewies dabei eine ungeheure Konsequenz. Ich glaube, das hatte sie sich von mir abgeschaut. Ich bin einfach keine Mutter, die sich nicht durchsetzt: Wenn ich sage, das wird von nun an jeden Tag gemacht, wird es auch gemacht. Ich weiß, viele Mütter geben irgendwann seufzend auf, weil sie das Theater mit dem ewigen Ermahnen und Diskutieren leid sind. Aber ich lasse so etwas gar nicht erst einreißen. Wenn ich etwas entscheide – zum Beispiel, dass die Kinder zweimal wöchentlich zum Schwimmen gehen –, dann tun sie das. Basta. Ich fahre sie hin und bin dazu auch nicht zu faul. Natürlich würde ich auch manchmal lieber mit einem Heimwerkerhandbuch auf dem Sofa liegen. Aber dann würde der Laden einfach nicht so laufen, wie er läuft.
    »Nein, Dadgul, du schreibst über den Rand.«
    Dadgul krakelte ungeschickt mit Vanessas Bleistift in ihrem linierten Heft herum, und manchmal hätte er vor lauter Wut bestimmt gern den Bleistift abgebrochen – oder gleich mit der Kalaschnikow herumgeballert. Aber nach Monaten in unserem Haus änderte er langsam, aber sicher seine Einstellung.
    Ein kleines Mädchen, das ihm geistig überlegen war und ihm mit Engelsgeduld und liebevoller Strenge einen neuen Horizont eröffnete, war die reinste Offenbarung für ihn.
    Nach knapp zwei Jahren schrieb Dadgul aus eigenem Antrieb folgenden Aufsatz:
    »Mein Name ist Dadgul Delawar. Ich bin am 16 . 10 . 1963 in Katachel geboren.
    Meine Mutter heißt Nigargh. Zwei Jahre bin ich in die Schul gegangen und mit sechzehn Jahren wurde ich von der Regierungen gefangen genommen, nach Kabul gebracht und im Gefängnis gefoltert, bis ich gesagt habe dass ich Soldat werden will. Ich bin Sodat geworden, aber dann ich bin weggelaufen nach Hause und Mudjahed geworden.
    Am 5 . 8 . 1985 ein komonistisch General Taher und Nakib und Jemaldin und Russische Arme zosammen in kunduz zwischen Khanadabad Krieck angefangen. Zwei Tage war das schwierick Krieck. In diese Tag drei Dorfer wird total kabut. Die Dorfe heißt Chrakhab und Ludin und Katachel. Insgesamt 80 Modjaheddin gestorben und 130 Ziwilisten getoten, davon war Kinder und Frauen an diese Tag.
    Mein Komandant Asadullah auch gestorben. Am dies Tag

Weitere Kostenlose Bücher