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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Eigentlich eher weniger, gab er zu. Im Klartext: null. Fertiggerichte – Dosen, Suppen, Tütchenkost: null Komma nada.
    »Na, dann müssen wir eben lernen, Nudeln zu machen.«
    Sybille, jetzt übertreibst du es mal wieder!, schimpfte ich mich selbst, als ich auf den Dachboden krabbelte und die alte, sperrige Nudelmaschine hervorholte, die dort seit unserer Hochzeit einstaubte. (Vase und Nudelmaschine: die überflüssigsten Hochzeitsgeschenke überhaupt! Bis einem ein zahnloser Afghane ins Leben schneit. Wie gut, dass ich sie aufgehoben hatte!)
    »Hier, Dadgul, halt mal!« Mit Eiern, Mehl, Wasser und vielen sauberen Geschirrtüchern ging es dann ans Experimentieren. Das alte Rezept von Tante Trinchen lag auch noch vergilbt dabei. »Da hauen wir jetzt ein Ei drauf und dann …«
    Boah! Eh! Schweinerei! Die ganze Küche: ein Schlachtfeld. Dadgul fühlte sich ganz in seinem Element. Asa schmatzte und schleckte.
    Mit Lesebrille und Schürze ausgestattet, befahl ich Dadgul, die klebrige Masse zu verkneten. Am Ende hatten wir beide reichlich Mehl auf der Nase und Tränen in den Augen, aber wir gaben nicht auf. (Vielleicht habe ich schon mal erwähnt, dass eine Sybille Schnehage nicht aufgibt. Niemals!)
    Endlich hatten wir einen ähnlichen Teig wie auf der Abbildung in Tante Trinchens Rezept. Den walzte Dadgul mit dem Nudelholz platt. (Obwohl er es mir wahrscheinlich lieber über den Schädel gehauen hätte.)
    »Dadgul, du gehst jetzt hinter die Nudelmaschine, und ich schiebe die Teigplatte zwischen die Messerwalzen. Mann, der Teig fällt ja in sich zusammen wie die Spendenbereitschaft unserer Nachbarn!«
    Begeistert sahen wir zu, wie sich endlich so etwas wie Spaghetti auf das Geschirrtuch ringelten.
    »Na bitte!« Ich legte meinen Arm um Nudelminister Dadgul, und so ließen wir uns von Micki fotografieren. Unser erstes Nudelprodukt!
    »Es lebe die deutsch-afghanische Freundschaft!« Ich nahm Dadguls Arm und hielt ihn in Siegerpose in die Höhe. Wieder eine Hürde geschafft! Dadgul platzte fast vor Stolz.
    »Es lebe die Hilfe zur Selbsthilfe«, sagte Micki bewundernd. »Ich habe ja oft gedacht, jetzt ist meine Frau völlig übergeschnappt, aber langsam sehe ich, das Ganze hat System! – Wann gibt’s Essen? Ich meine richtiges Essen?«
    Ich schlug mit dem Nudelholz nach ihm, und Dadgul grinste begeistert: Szenen einer Ehe, die fand er immer toll.
    Ich wollte unbedingt erreichen, dass Dadgul in seiner Heimat selbstständig leben und arbeiten konnte – und nicht nur das, er sollte dort auch das Projekt »Hilfe für Katachel« leiten.
    »Ein Projektleiter muss Buch führen können, Dadgul. Komm, setz dich her, wir üben.«
    Dadgul hatte schon viel gelernt. Besonders alles Handwerkliche fiel ihm leicht (na gut, als ich ihm das Fischen beibrachte, erklärte er mir, was solle der Scheiß mit Angel und Netz, er fische zu Hause immer mit Handgranaten: bumm – alle Fische tot, super!)
    Aber Listen machen, Zahlen addieren, Quittungen ausstellen, Pläne schriftlich verfassen, womöglich eine Schule auf Millimeterpapier planen und einen Kostenvoranschlag machen, das überstieg doch bei Weitem Dadguls Kenntnisse. Zu Hause in Afghanistan wurde nicht lange diskutiert, da wurden Kommandos gegeben, und wenn die nicht befolgt wurden, wurde das Anliegen mit dem Dolch oder notfalls mit dem Gewehr unterstrichen. Da sagte man nicht: »Man könnte dies oder jenes mal andenken«, oder: »Wenn möglich, bitte zeitnah« – da machte man peng!
    »Nein, Dadgul, ich lass dich erst wieder nach Hause, wenn du das beherrschst. Also. Wir planen jetzt mal – eine Mädchenschule.«
    Also, planen – na gut und schön. Aber eine MÄDCHEN schule? War ich noch ganz dicht?
    »Genau, Dadgul. Apropos dicht. Wir brauchen ein Grundstück, das nicht hochwassergefährdet ist, also nimm ein höher gelegenes Grundstück und keines in Flussnähe. Und jetzt rechne mal die Quadratmeter Bauland aus …«
    Oh, da waren aber Dadguls Schleimhäute von Hochwasser bedroht. Auch ein Mudjahed kann vor Wut weinen.
    Wir brauchten Wochen und Monate, in denen viele böse Worte fielen. Viele. (Dadgul konnte am Ende mehr Schimpfwörter als ich!) Aber ich zog einen Trumpf aus dem Ärmel, der seine Mannesehre wiederherstellte:
    »Ja, Dadgul, wenn du erst Projektleiter in Katachel bist, brauchst du natürlich einen Führerschein!«
    »Oh! Mama ist die Beste!« Kuss, schmatz, Tränen abwisch. Das mit dem Eselskarren war inzwischen weit unter Dadguls Würde.
    Ich machte zur

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