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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Vielleicht drohte er mir aber auch mit Tod durch Erschießen. Obwohl ich so etwas wie Dankbarkeit in seinen Augen sah.
    »Scheiße, Dadgul, das ist eigentlich ein Job für eine ausgebildete Krankenschwester.«
    Dadgul fixierte mich mit seinen schwarzen Augen.
    »Das machen wir jetzt jede Woche, Dadgul. Immer freitags. Statt Mittagessen.«
    Dadgul nickte. Freitags gab es sowieso immer Fisch.

10
    »Los, komm, Puddingminister, du kannst mir rühren helfen.«
    Mit Pudding kannte Dadgul sich aus, schließlich aß er so gut wie nichts anderes. Für die mehrstöckige Buttercremetorte, die ich entworfen hatte, hieß es rühren, rühren, rühren. Wir Hausfrauen in Bergfeld waren eine eingeschworene Gemeinschaft, und so war es für mich Ehrensache, eine mega-bombastische Torte für die Hochzeit unserer Nachbarin zu backen. Nicht für Ulrike, sondern für eine andere Nachbarin: für Jasmin, die Tochter von Frau Brechenmacher. (Ich kann nämlich nicht nur Dachdecken und Fliesenlegen, ich kann auch Torte!)
    »So, Achtung, Dadgul, ich komm jetzt mit der Butter!«
    Das war der Moment der Wahrheit. Würde die Puddingcreme klumpen oder nicht?
    Dadgul schwitzte schon unter der Macht des Rührbesens. »Nicht aufhören, weiter, weiter – jau, Dadgul, sie gelingt! Schau mal, welch sämiges Meisterwerk!«
    Wir schwangen den Schneebesen und dekorierten, und nach acht Stunden war das vierstöckige Meisterwerk perfekt. Das Brautpaar aus Marzipan stand stolz auf der Torte.
    »Dadgul, das haben wir super gemacht.« Ich klopfte meinem Backingenieur anerkennend auf die Schulter, und er grinste stolz. Außer der Torte hatte ich noch einen Fotokalender für das Brautpaar gebastelt, mit selbst gedichteten Versen zu jedem Monatsbild. Ich kannte das Brautpaar schon von Kindesbeinen an und hatte viele Fotos von ihnen. (In aller Bescheidenheit: Fotografieren und Fotos entwickeln kann ich auch.) Ehrlich gesagt, hatte ich mir wochenlang Mühe für unsere lieben Nachbarn, die Brechenmachers, gegeben.
    »Los Kinder, macht euch fein, wir fahren!«
    Als absoluten Höhepunkt für die Hochzeitsfeier hatten wir noch eine Überraschung parat. Nein, nicht Dadgul für die Mitternachtseinlage im Dunkeln: Unsere Vanessa wollte eine ganz tolle akrobatische Nummer hinlegen, mit Saltos und halsbrecherischen Sprüngen. Wir schleppten die Musikanlage zum Auto. Außerdem sollte Dadgul als Matratzenminister ein paar weiche Matten tragen: Jeder der einmal Turnunterricht hatte, weiß wie sperrig und schwer solche Matten sind. Und dass ich die im Cocktailkleid mit Pumps nicht allein zur Gaststätte hätte wuchten können, war auch klar. (Micki war auf Dienstreise, und Simon war zu klein.)
    Als wir jedoch voller Vorfreude mit unseren vielen originellen Geschenken eintrafen, begegnete uns die Mutter der Braut. Brautmutter-war-die-Eule hob kritisch eine Braue hoch, als sie den eifrigen Dadgul sah, und hätte wohl gern mit dem Schnabel auf ihn eingehackt.
    »Frau Brechenmacher«, sagte ich liebenswürdig, »Dadgul hilft nur schnell mit den Matten.«
    »Die Vorführung ist sicher eine schöne Sache«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Aber der hier kommt mir nicht in den Saal!«
    »Moment!«, sagte ich. »Wie alle in diesem Dorf wissen, ist Dadgul unser Dauergast. Er will gar nicht an der Hochzeitsfeier teilnehmen, sondern nur aufbauen helfen.«
    Dadgul stand mitsamt seinen Entstellungen da und starrte fasziniert zu der Hochzeitsgesellschaft hinüber. Lauter festlich gekleidete junge Mädchen mit nackten Schultern, Armen und Beinen strebten in knappen bonbonfarbenen Cocktailkleidchen kichernd und mit Sektgläsern in der Hand dem Eingang zu.
    Die Braut selbst war ein einziger Traum in weißer Seide: Dadgul fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er tat mir so leid! Natürlich war er nicht eingeladen. Aber helfen, schnell ein paar schwere Matten reinschleppen, das durfte er doch wohl?
    »Der Anblick eines solchen Gesichts ist den Gästen nicht zuzumuten«, befand die Eule.
    Wie gut, dass Dadgul ihre Worte nicht verstehen konnte! Aber ihren Tonfall, das Eisige, Schneidende in ihrer Stimme, verstand er sehr wohl.
    Mir gefror das Blut in den Adern.
    »Tut mir leid. Der darf auf keinen Fall hier hinein. Den Schock möchte ich den Gästen ersparen.«
    Und ich möchte den Gästen den Schock ersparen, Ihnen die Torte ins Gesicht zu werfen!, dachte ich. Nur, weil ich meiner süßen Vanessa den Auftritt und der netten Braut ihre Hochzeit nicht verderben wollte, machte

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