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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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strahlten nun doch. »Heißt Liebling.«
    »Und du wirst sie genauso liebhaben wie deinen Sohn?« Ich rüttelte an seinem Arm.
    »Ja, Mama«, grinste Dadgul, und eine Spur von Verlegenheit huschte über sein Gesicht.
    »Genauso lieb. Versprochen.«

12
    Die Zeit zwischen den Operationen verlief schleppend. Oft wurde die Behandlung unterbrochen, da ja keine Gelder flossen. Kaum war Dadgul frisch operiert, wurde er von der Klinik einfach wieder nach Hause geschickt. Sein Bett wurde gebraucht. Dann lag er blutend und kotzend hier bei uns, und ich durfte die Krankenschwester spielen. Ich telefonierte und drängte, bettelte und rückte den Ärzten auf die Pelle. Dadgul, der sich naiverweise vorgestellt hatte, nach drei Monaten mit einem neuem Gesicht und neuen strahlenden Zähnen nach Hause zu dürfen, wurde immer depressiver. Manchmal kam er sich vor wie ein interessantes Versuchsobjekt für Ärzte und Medizinstudenten, aber nicht wie ein Mensch.
    Die Kinder waren sauer, dass ich keine Zeit für sie hatte, meine Eltern meckerten, ich würde mich um das Elend der Welt kümmern, aber nicht um sie.
    Micki war zwar nie sauer oder eingeschnappt, aber das Thema Dadgul war wirklich mein Steckenpferd, nicht seines. »Da hast du dir was eingebrockt, Sybille!«
    Oft hing Dadgul einfach nur kraftlos im Wohnzimmer auf dem Fernsehsessel rum und starrte Löcher in die Luft. Wie jeder weiß, stinken Besuch und Fisch nach drei Tagen. Dadgul war nun schon zwei Jahre bei uns, und wenn er sich so gehenließ, ging er mir einfach nur auf die Nerven. Ich hasse jegliche Art von Selbstmitleid. Natürlich konnte ich gut verstehen, dass er sich oft vorkam wie das fünfte Rad am Wagen. Er vermisste seine Sprache. Seine Familie. Seine Kinder. Es ging ihm alles nicht schnell genug.
    Eines Tages kam ich tatendurstig mit dem Staubsauger ins Wohnzimmer. Jetzt würde ich Dadgul aber Beine machen! Der Herr Oberkommandant Trauerkloß saß im Fernsehsessel und …
    »Dadgul! Heulst du etwa?«
    Im Nu war mein Zorn verraucht. Nachdem alles Zureden nichts half, dachte ich, egal, ging in die Küche und holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank.
    »So, Dadgul. Trink mal ’nen Schluck.« Ich öffnete die Flasche mit einem Plopp und hielt sie ihm unter die Nase.
    Dadgul starrte mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, dem Teufel einen Zungenkuss zu geben.
    »Da darf ich gar nicht dran DENKEN !« Panisch sprang er auf und schlug mir das Teufelswasser aus der Hand. Die Flasche landete auf den Wohnzimmertisch und zersprang in tausend Scherben. Das Bier tropfte von der Tischplatte und verteilte sich großzügig auf dem guten Teppich. Überall lagen Scherben herum.
    »Mensch, Dadgul! Ich war gerade am Saubermachen!«
    »Das ist allergrößte Sünde! Alkohol ist schlimmer als Mord!«
    Ich stemmte die Arme in die Hüften und starrte wutentbrannt zurück. »Statt die Flasche zu zerdeppern, hättest du höflich sagen können: ›Danke nein, aber nimm doch selbst einen Schluck, liebe Sybille. Du siehst aus, als könntest du ihn brauchen!«, schnauzte ich ihn an. »Scheiße! Jetzt kann ich noch Teppichreinigungsschaum kaufen!«
    »Und ich? Kriege den Arm abgehackt vom Mullah!«, brüllte Dadgul.
    »Wieso? Er sieht’s doch nicht!«, patzte ich zurück. Scheißsitten bei euch! Im gleichen Moment schämte ich mich. Bah! Reingefallen, Sybille! DU predigst doch immer den Kindern, dass man sich an Regeln halten soll, AUCH wenn die Mama gerade nicht hinguckt! KEIN Gummibärchen heißt KEIN Gummibärchen!
    »Allah sieht alles!« Ehrfürchtig zeigte Dadgul an die Decke. »Der Mullah muss diese drastische Strafe durchführen, wenn jemand der Versuchung Alkohol nicht widersteht!«
    »Na gut«, gab ich klein bei und kroch bereits auf allen vieren über den Teppich, um die Scherben einzusammeln.
    Dadgul kroch hilfsbereit mit mir durchs Wohnzimmer. »Tut mir leid, Mama!«
    »Lass stecken! Für noch mehr Operationen kann ich keinen Handchirurgen mehr hinter dem Ofen hervorlocken.«
    Es zerbrach mir beinahe das Herz. Auch wenn ich Dadgul immer öfter an die Wand klatschen wollte: Er war auch nur ein Mensch voller Ängste, Sehnsüchte und Heimweh.
    »Komm mal her zu mir!« Ich klopfte neben mich auf das Sofa. »Erzähl mir doch mal, wie du deine Frau kennengelernt hast!«
    Ablenken ist das beste Mittel, ein weinendes Kind zu trösten. Das weiß jede Mutter.
    Sofort entspannte sich Dadguls leidgeprüftes Gesicht. Er legte den Lappen weg und begann zu erzählen.
    Kandigol war die

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