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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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einer federleichten Bettdecke mit dem VfL -Wolfsburg-Logo.
    »Wie? Das könnte dir so passen, nur für Kandigol und dich! Ich werde mich in sämtlichen Haushalten Wolfsburgs nach gebrauchter ausrangierter Bettwäsche erkundigen!«
    »Nein! Als Muster für unseren Schneider Khairat Fasel Achmad Abdullah! Seit der Schuluniform-Aktion weiß der gar nicht mehr, wohin vor Glück und Ansehen!«
    »Oh! Ach so! Ja. Mensch, Dadgul, so langsam kapiere ich das System …«
    Nicht den Katachelern unseren Sperrmüll aufdrängen, sondern ihnen Arbeit geben!
    Wir suchten zwei Garnituren heraus, die der Schneider zweihundertfach nachnähen sollte. In schlicht und geblümt. So. Basta.
    »Aber mit Gebrauchsanweisung!«, belehrte mich Dadgul. »Sonst haben die Katacheler Hausfrauen keine Ahnung, wie sie die Dinger handhaben sollen! Die stopfen da ihre Kinder rein!«
    Wieso nicht gleich ihre Schwiegermütter!, dachte ich. Mit Zipp.
    »Das nenne ich Hygieneerziehung«, murmelte ich anerkennend, als ich an der Kasse die Vereins-Geldtasche zückte.
    Mit dem Auto ging es zurück nach Hause. Diesmal saß ich wieder hinter dem Steuer.
    »Warum bremst du, Sybille?«, rief Dadgul plötzlich erschrocken.
    »Da sitzt ein Vogel auf der Straße! Ein Bussard oder so was.«
    »Na und?« Dadgul fühlte sich in seiner Meditation gestört.
    Ich fuhr rechts ran und versuchte, den verletzten Raubvogel mit Hilfe eines Schirms an den Straßenrand zu schieben.
    »Warum machst du das, Sybille?« Unwillig bequemte Dadgul sich aus dem Auto und sah mir untätig zu.
    »Weil der Nächste garantiert drüberfährt! Darum!«
    Vorsichtig gab ich dem sich aufplusternden Vieh einen Schubs, das aber nur unwillig einen Zentimeter zur Seite hüpfte. »Jetzt komm schon! Ich will dich doch nur beschützen!«
    »Lass mich mal.« Dadgul, der todesmutige Mudjaheddin krempelte schon die Ärmel hoch, um mir zu zeigen, wie man als Mann mit Raubvögeln umgeht.
    »Tu ihm nicht weh!«
    Tja, wem das nun gelten sollte, war gar nicht mehr so klar: Der verletzte, völlig verängstigte Raubvogel fühlte sich arg bedrängt, als Dadgul ihn einfach so packen wollte, und hackte mit seinem spitzen Schnabel auf ihn ein.
    »Au! Scheiße! Spinnt der!« Dadgul ließ den flatternden Bussard los.
    »Nee, der nicht, aber du!«
    Nachdem ich dem Tier in den Straßengraben geholfen hatte, rief ich die Vogelschutzwarte an und wartete.
    »Warum tust du das, Mama?« Wir saßen inzwischen wieder im Wagen.
    »Weil er meine Hilfe braucht.« Ich sah Dadgul von der Seite an. Er hatte in den letzten Jahren viel dazugelernt, aber manchmal staunte ich immer noch über seine Gleichgültigkeit. »Wenn ich ihm nicht helfe, hilft ihm niemand.«
    »Na und? Dann gibt es halt einen Bussard weniger auf der Welt! Ich hätte meine Kalaschnikow geholt und – bumm!«
    »So? Und wenn er Familie hat? Mutter, Schwestern, eine Frau, Küken – ein Ei?«
    Endlich kapierte Dadgul. »Du hilfst nicht nur Menschen, sondern auch Tieren?«
    »Ja, Dadgul. Ich helfe allen, die meine Hilfe brauchen.«
    Dadgul nickte nachdenklich. »Allah hat nicht nur die Menschen gemacht, sondern auch die Tiere.«
    In dem Moment kam ein Mitarbeiter der Vogelschutzwarte mit einem großen Netz.
    Nach wenigen Minuten saß Freund Bussard in einem artgerechten Käfig und war in Sicherheit.
    Wir fuhren weiter.
    Dadgul schwieg.
    Wir hielten Vorträge, sooft wir eingeladen wurden. Manchmal waren fünf Personen anwesend, manchmal fünfzig, einmal nur drei. Wir arbeiteten nie gegen Honorar, sondern ließen uns nur die Fahrkosten erstatten. Wir erhofften uns Spenden und neue Patenschaften. Die Lehrer unserer Schule in Katachel mussten inzwischen schon Doppelschichten einlegen! Am Vormittag wurden vier Stunden lang die Jungen unterrichtet, nachmittags vier Stunden die Mädchen. Eine Lehrerin, die in Kunduz wohnte, musste täglich mit dem Taxi anreisen – aus Sicherheitsgründen. Für all diese Menschen galt es Paten zu finden. Und die bekamen wir nur, wenn wir uns ständig an die Öffentlichkeit wandten!
    Vor allem im Winter, wenn es dunkel, kalt und glatt war, musste ich mein Gewissen, auf dem es sich mein innerer Schweinehund gemütlich gemacht hatte, erst mal in den Hintern treten.
    »Ach, Sybille, muss das denn heute schon wieder sein? Kannst du nicht einmal eine Ausnahme machen? Bis zu diesem Altenzentrum in der Bargter Heide sind es über zwei Stunden Fahrt, und der Pastor hat dir doch schon am Telefon gesagt dass die Leute lieber einen Heimatfilm sehen

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