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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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wollte helfen, aber nicht Menschen verpflanzen.
    Rahimas Ziehmutter Monika litt noch mehr als ich. Sie hatte das Mädchen in den letzten fünf Jahren ins Herz geschlossen. Rahima war trotz ihrer Behinderung so lebensfroh und trug sie mit einer bewundernswerten Stärke. Aber was würde ihr in ihrer Heimat blühen?
    Und so kam es, dass ich bei meinem nächsten Afghanistan-Trip mit aller Macht nach einem gleichaltrigen Jungen für Rahima suchte. Schließlich fand sich ein Knabe namens Junus, den Dadgul mir zähneknirschend zubilligte. Er war einer der Arbeiter, die für Dadgul Schulen und Brücken bauten. Ein nett aussehender junger Bursche, der allerdings nichts für Rahima bezahlen konnte. Sie würde eine Billigpartie werden. Egal, die sollten sich sowieso abgewöhnen, die Frauen zu kaufen. Es musste doch möglich sein, dass Liebe im Spiel war!
    »Kauf ihm ein Handy, damit die jungen Leute sich kennenlernen können!«, befahl ich Dadgul.
    »Das kostet aber Geld, Sybille! Willst du das von den Spendengeldern der Leute …?«
    »Ach, vergiss es, Dadgul! Dann zahle ich das eben aus eigener Tasche!«
    Was zur Folge hatte, dass ich dem jungen »Liebespaar« – in der Hoffnung, dass es wirklich eines werden würde – eine Handyrechnung von zweitausend Euro zahlte, nur damit sich die beiden im Lauf des nächsten Jahres fernmündlich beschnüffeln konnten. Ich bestand darauf, dass Rahima noch die Mittlere Reife machte, damit sie später im Leben »was Eigenes« hatte. Wie naiv ich doch war!
    Die Hochzeit fand dann ein Jahr später mit großem Pomp statt, und ich nahm dem glücklichen Mädchen das Versprechen ab, ihre ersten Kinder nach ihren Pflegeeltern »Monika« und »Klaus« zu nennen. Das Schicksal strafte mich und Rahima damit, dass sie zwei Mädchen bekam: Monika und Klaudia. Für afghanische Verhältnisse war das eine glatte Fehlleistung. Ihre Schwiegermutter und ihre Mutter schüttelten die Köpfe: Wahrscheinlich war sie in der Hochzeitsnacht nicht lange genug im Bett geblieben. Zwei Mädchen! Was für eine Schande!
    Schon wenige Jahre später war meine arme kleine Rahima völlig ausgemergelt und überarbeitet. Klein-Monika und Klein-Klaudia hingen an ihren Rockzipfeln, und ihr Ehemann Junus, ein einfacher Arbeiter, schlug sie und ließ sie hungern, sobald er schlechte Laune hatte. Seine ganze Familie behandelte sie wie den letzten Dreck. Sie war ein Niemand: behindert, und dann auch noch zwei Mädchen. Abschaum. Das übermütige kecke Mädchen von damals war gestorben.
    »Mama, warum hast du mich ihm umsonst gegeben?«, jammerte Rahima, wenn ich sie in ihrem kargen schmuddeligen Hinterhof besuchte. »Er sagt, ich bin nichts wert, weil ich nichts gekostet habe!«
    »Ja, hätte ich dich für viel Geld dem alten Schuster geben sollen?«
    »Ach, Mama! Wär ich doch in Wolfsburg geblieben! Weißt du, wie schön das war? Wie frei ich war? Und wie … verliebt?! Die anderen gehen jetzt zur Uni …«
    Mir schnürte sich der Magen zu. Hätte ich sie einfach dabehalten sollen? Aber das war nicht mein Recht! Ich konnte nicht halb Afghanistan nach Deutschland schleppen und allen unsere Kultur aufdrängen! Ich hatte es doch nur gut gemeint!
    Rahima weinte bittere Tränen. Ich saß da und wiegte sie in meinen Armen. Die halbnackten Kinder krabbelten mit ihren Rotznasen auf uns herum. Ihre Haare standen vor Dreck, ihre Haut war verkrustet, ihre Augen trüb. Auch die Kleinen waren blass und unterernährt, nicht nur ihre junge Mutter. Sie hatten bereits Haarausfall und Monika schon ganz braune Zähne. Die kleine Klaudia zahnte noch und wimmerte ständig.
    »Mama, ich will nicht noch mal von Junus schwanger werden! Wenn es wieder ein Mädchen wird, schlagen sie mich tot!«
    »Nein. Da gibt es schließlich Mittel und Wege …«
    Entschlossen stand ich auf. Schließlich hatte ich ihr das Ganze eingebrockt.
    »Ich fahre dich nach Kunduz zur Frauenärztin.«
    Da Junus noch nicht so schnell zurückerwartet wurde, (er baute ja Schulen und Brücken für Dadgul und hatte Sechzehnstundenschichten), packten wir die Kinder und schlichen uns davon.
    »Wir machen deinem Elend ein Ende, mein Kind.«
    In der sogenannten Praxis, einem verdreckten Etablissement mit Lehmwänden, wo es von wartenden Frauen, deren Kleinkindern und Ehemännern genauso wimmelte wie vor Keimen, fand ich die völlig überforderte Ärztin, die versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen. Auf Dari beschwor ich sie, meiner Rahima schnell und unauffällig die Spirale

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