Drachenkinder
Frauen kicherten.
Ich fühlte mich großartig. Ein riesiges Glücksgefühl durchströmte mich. Die Leute hier akzeptierten mich – ach was, sie liebten mich! Mein Blick suchte nach Dadgul, aber der war mit jemandem ins Gespräch vertieft und schenkte mir keine Beachtung.
Weitere Fest- und Dankesreden folgten. Hilfskräfte verteilten Palau und Tee, später gab es für jedes Kind noch Zuckermandeln. Ich schüttelte Hunderte von klebrigen Kinderhändchen.
» Tashakor, mokhteram khanom Sheni Hagei – danke, hochverehrte Frau Schnehage!«
»Oh, Dadgul, was für ein wunderbares Fest!«
»Ja, ja, ist ja gut jetzt, Mama!« Dadgul wandte sich ab. »Wir müssen nach Hause, bevor es dunkel wird. Los, nimm dein Fahrrad und komm.«
»Aber Dadgul, mein Pferd! Ich will Shari mitnehmen!«
»Das kann dir Assad bringen!«
Assad war ein junger Polizist aus Katachel, der nun schüchtern das Halfter nahm.
»Aber nicht aufsteigen, Assad«, sagte ich im Scherz. »Das ist schließlich mein Pferd!«
Unter herzlichen Abschieds- und Dankesworten stiegen wir auf unsere alten verrosteten Drahtesel und eierten an der Straße wieder die zehn Kilometer heimwärts nach Katachel. Anders als auf der Hinfahrt war Dadgul verschlossen und schweigsam.
Na gut!, dachte ich. Dann hat er heute mal schlechte Laune. Heute war abwechslungshalber nicht sein Tag, sondern meiner, und den würde ich mir nicht verderben lassen. Schließlich war das hier alles mein Werk. Der wiederhergestellte Dadgul samt seinem wiederhergestellten Dorf sollte mir eigentlich dankbar sein! Aber vielleicht fiel es ihm heute besonders schwer, wo der Malek von Eshantup mich so hatte hochleben lassen. Für einen afghanischen Mann ist es sicherlich nicht einfach, im Schatten einer erfolgreichen Frau zu stehen.
Schweigend radelte ich hinter ihm her und starrte auf seinen Rücken.
Ob er wohl Schwierigkeiten damit gehabt hatte, mir den ersten Platz zu überlassen? Wo er doch sonst hier der Platzhirsch war?
Immer wenn ich nach Katachel kam und das Ruder wieder übernahm, rutschte der von allen bewunderte und respektierte Kommandante wieder auf Rang zwei. Wie musste das in den Augen seiner Freunde und Verwandten wirken? Wurde er vom Helden zum Weichei? Vom Macher zum Muttersohn? Musste er sich womöglich Hänseleien gefallen lassen? War ich ihm möglicherweise sogar lästig?
Ach was, Sybille!, dachte ich, als wir schließlich im Stockdunkeln in Katachel ankamen. Und wenn, muss er damit fertigwerden. Ich muss in Bergfeld schließlich auch damit fertigwerden, dass die Leute mich »Helferhyäne« nennen. Ich hatte mich gegen die kleinkarierten Spießer durchgesetzt und zu Dadgul gestanden wie eine Eins. Ich hatte seinetwegen Freunde verloren (die natürlich keine waren!), ja sogar Sympathien bei nächsten Verwandten eingebüßt, die sich von mir vernachlässigt fühlten. Aber allen hatte ich immer wieder gesagt, dass Dadgul mich mehr brauchte als sie. Das würde er nicht vergessen haben. Er hatte heute einfach schlechte Laune.
Dadgul verzog sich sofort ohne ein weiteres Wort in seine Wohnung.
Wo blieb denn nur mein Pferd so lange? Ging der naive Assad tatsächlich mit Shari zu Fuß die Straße entlang? Na, das konnte ja noch dauern! Hoffentlich passierte ihnen nichts, man sah ja die Hand vor Augen nicht mehr, und das Pferd hatte kein Rücklicht!
Ohne Dadgul von meinem Vorhaben zu unterrichten (was eigentlich gegen unsere Vereinbarung war, aber heute war mir das egal), schnappte ich mir Monaf, unseren treuen Fahrer, und forderte ihn auf, mit mir in Richtung Eshantup zu fahren.
»Ade Sybille – das ist gefährlich!«
»Ach, komm! Ich brauch auch mal einen Moment für mich!«
Und da waren sie! Assad trottete mit der tänzelnden Stute ergeben die Straße entlang. Der Ärmste war schon ganz erschöpft. Er hatte es tatsächlich nicht gewagt, sich auf das Pferd zu setzen.
»Halt an, Monaf!«
Schnell sprang ich aus dem Wagen. Und du, Assad, rein mit dir! Ich übernehme!«
»Bist du sicher, Ade Sybille? Willst du wirklich allein, im Dunkeln …?«
»Ja! Fahrt einfach weiter.«
»Dadgul würde das nicht gutheißen!«
»Ihr müsst ja nicht petzen! Los, Jungs!«
Die alte Karre knatterte davon. Ich sah das schwache Rücklicht immer kleiner werden. Dann war ich mit meiner wunderbaren Stute allein. Sie roch so vertraut, so nach Freiheit und Abenteuer! Vorsichtig nahm ich sie beim Halfter und ließ mich von ihr durch die pechschwarze Nacht führen.
»So, mein Mädchen, keine Angst,
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