Drachenkinder
einzusetzen.
»Haben Sie die Erlaubnis des Ehemannes?«
»Hier.« Ich zog einen improvisierten Schrieb aus der Hosentasche, auf dem eine Unterschrift zu sehen war.
»Sheni Hagei?«
»Genau. Das ist der Name der Patientin.«
Sie sah mich vielsagend an: »In Ordnung. Sagen Sie ihr, sie soll die Hose ausziehen und die Beine spreizen.« Im Gehen zeigte die Ärztin auf einen Schemel, der mehr Ähnlichkeit mit einem Folterinstrument als einem gynäkologischen Stuhl hatte. Auf der Fensterbank vor dem vergitterten »Fenster« lagen blutgetränkte Binden und andere Appetitlichkeiten.
»Los, Rahima. Schnell.« Ich nahm meinem Schützling Monika und Klaudia ab, und zeigte ihr den Stuhl. »Komm schon. Mach.« Klein-Monika heulte, ihre Rotznase hinterließ Spuren auf meiner Bluse, und Klein-Klaudia wand sich wie ein Aal: Die Anderthalbjährige wünschte nicht von einer anderen Frau als ihrer Mutter gehalten zu werden. Außerdem stank sie bestialisch. Ich hielt sie von mir ab, sah grünschwarze Pampe an ihren Beinchen herunterlaufen.
Wie schön war es doch im Vergleich dazu in deutschen Arztpraxen! Von wegen Spielecke und Wickelauflage! Oder gar Patiententoilette mit Handwaschgelegenheit!
Das Schlimme war, dass sich Rahima noch an solchen Luxus erinnern konnte. Rahima, die früher »Arschbomben« gemacht hatte, war nun so verschüchtert, dass ihr dieser Befehl den Angstschweiß ins Gesicht trieb.
Eine Helferin kam hereingeplatzt. Nur ein dünner Vorhang trennte diesen sogenannten Untersuchungsraum vom Warteflur draußen. Ab und zu schlüpfte ein neugieriger Hosenscheißer herein, wurde dann aber von Männerhand grob wieder zurückgezogen.
Ohne sich nach dem Befinden ihrer Patientin zu erkundigen, zerrte die Helferin Rahima eigenhändig die Hosen runter. Hier wurde nicht lange gefackelt, wir waren dazwischengeschoben worden, wobei einige Afghani-Scheine das ihre getan hatten. Denn sonst würden wir stundenlang auf dem Gang sitzen müssen, und das ging nicht, denn Junus durfte unsere Abwesenheit nicht bemerken, geschweige denn etwas von dieser Aktion erfahren.
Rahima versuchte immer wieder, ihr Hemd über die gespreizten Beine zu ziehen, aber für solche Fisematenten hatte man hier keine Zeit. Obwohl die Ärztin noch gar nicht im Raum war, zog die Helferin einfach beide Arme des mageren Mädchens nach oben und band sie dort kurzerhand mit einer Schlinge fest. O Gott, dachte ich. Was habe ich getan!
Rahima schrie, man solle sie losbinden, sie hätte es sich anders überlegt. Kurzerhand setzte ich die Kinder ab, löste ihre Fesseln, strich ihr über die schweißnasse Stirn und sprach beruhigend auf sie ein.
»Rahima, denk an deine Kinder und vor allem an dich, nur eine Spirale kann dich vor weiteren Qualen schützen. Ich bin bei dir, vertraue mir.« Ihr Atem wurde langsam ruhiger.
Endlich kam die Ärztin. Sie lüftete ihren Schleier. Zwischen den Zähnen hielt sie die Packung mit der Spirale. Ihre Hände steckten in sterilen Gummihandschuhen, deshalb befahl sie mir zwischen zusammengebissenen Zähnen, die Packung zu öffnen. Die Helferin konnte ja nicht, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die arme Rahima festzuhalten.
Mit zitternden Händen riss ich die Verpackung auf und reichte der Ärztin die Spirale.
Mein Gott!, dachte ich, das darf doch alles nicht wahr sein! Ich spürte, wie mir die Schweißtropfen den Rücken hinunterliefen und mich eine schwere Hitzewelle erfasste.
Die Ärztin setzte Rahima die Spirale ein, zog ihre Handschuhe aus und warf sie auf den Heizkörper, auf dem schon andere Handschuhpaare innige Verbindungen mit den Bakterien, die sich dort tummelten, eingingen. Dann gab sie uns ein Rezept für Antibiotika – »damit sich nichts entzündet!« – und für Kräftigungsmittel: »Die ist ja nur noch Haut und Knochen. Eine weitere Schwangerschaft würde sie vermutlich umbringen!«
»Ja. Stellen Sie sich vor, sie würde noch ein Mädchen bekommen. Das wäre ihr Todesurteil.«
Die Ärztin sah mich nur ungerührt an: »Schicken Sie Ihren Mann so bald wie möglich in die Apotheke. Es ist dringend, sie braucht die Medikamente sofort.«
Klar. Nur Männer gingen in Apotheken. Frauen doch nicht. In diesem Fall erledigte ich das allerdings selber.
Auf der Rückfahrt weinte Rahima vor Schmerzen, Schock und Scham. Sie hielt ihre beiden kleinen Kinder auf dem Schoß und wimmerte, sobald ein kleines Füßchen sie in den Unterleib traf.
Ich raste wie ein Berserker, um rechtzeitig vor Junus in Katachel
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