Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
Spendengelder kommen nur den Bedürftigen zugute, aber mit unserer eigenen Hände Arbeit und natürlich mit Dadguls Erfahrung als ›Ingenieur für alles‹ haben wir es uns hier nett eingerichtet.«
    Ich zeigte auf den Brunnen, der mitten im Hof vor sich hin plätscherte.
    »Dadguls Mutter Nigargh, seine Frau Kandigol und seine Schwestern schätzen es schon sehr, zum Wasserholen nicht mehr drei Kilometer weit laufen zu müssen! Nicht wahr, Dadi?«
    Dadgul wirkte abwesend.
    »Dadgul? Kannst du für mich übersetzen? Der Malek hat etwas gesagt!«
    Der Malek sprach freundlich auf Dadgul ein, der schließlich übersetzte:
    »Der Malek möchte auch Strom. Für sein Privathaus. Außerdem möchte er sich ein Auto anschaffen. Er ist nicht mehr gut zu Fuß. Er hat dir schließlich ein Pferd geschenkt.«
    Ich erstarrte.
    »Der Malek?« Fragend schaute ich zu dem lächelnden, rundlichen Mann hinüber, der mich so freundlich anschaute. War er wirklich so berechnend? Hatte ich mich so in ihm geirrt?
    »Der Malek sagt, er will einen Fernseher! Die ganze Gegend hat keinen Strom! Er sagt, du sollst hier ein Kraftwerk bauen, damit er und seine Nachbarn fernsehen können. Und er will einen Brunnen. Seine Frau hat’s im Kreuz.«
    »Aber …« Ich stutzte. Der Malek war gar nicht gekommen, um sich für die Schule zu bedanken? Sondern um mehr zu fordern? Strom und Wasser für seine privaten Bedürfnisse? Mich fröstelte.
    »Unsere Spenden gehen an die wirklich Bedürftigen«, wiederholte ich laut und deutlich in Dari, so als spräche ich mit einem Dreijährigen. Diesen Satz hatte ich mir eingehämmert wie die Glocke von Schiller. »Private Luxusgüter finanziert unser Verein nicht!«
    Der Malek lächelte immer noch. Er strich sich durch den langen Bart und murmelte vor sich hin. Hallo? War der am Betteln?
    »Er versteht mich nicht! Los, Dadgul, sag du es ihm!« Mann, war ich enttäuscht von meinem Freund aus Eshantup! Nie im Leben hätte ich das von ihm gedacht!
    Dadgul redete ziemlich unfreundlich auf ihn ein, sein Ton wurde immer aggressiver, und plötzlich änderte sich auch der Tonfall des Malek. Was er erwiderte, war gar nicht mehr freundlich. Eher ruppig, um nicht zu sagen beleidigt. Er stand auf, knallte den Teebecher auf den Tisch und zeigte wütend auf mich.
    »Er sagt, wenn du ihm das Geld für Fernseher, Kühlschrank und neues Auto nicht gibst, nimmt er das Pferd wieder mit!«
    »Was?« Wütend sprang ich auch auf. »Sag ihm, dass ich wahnsinnig enttäuscht von ihm bin! Dass ich das nie von ihm gedacht hätte! Und dass er mir nichts ›vom Pferd‹ erzählen soll!« Ich empfand nichts als Wut und Enttäuschung. »Geschenkt ist geschenkt!«, schrie ich mit Tränen in den Augen. »Wieder holen ist gestohlen!« Dann rannte ich in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. Ich warf mich auf mein Bett und begann zu heulen. So. Das war also der schönste Tag meines Lebens gewesen gestern. Der mich meine eigenen Probleme und Sorgen hatte vergessen lassen. Weil Helfen ja so toll war. Na super! Alles nur Lug und Betrug. Berechnung und Kalkül. Ich HASSTE die afghanischen Männer.
    Das Gesicht des Malek verfolgte mich noch bis in meine Träume.

32
    »Ja, sag mal, Dadgul, seid ihr bescheuert?«
    Ungläubig musste ich am nächsten Morgen mitansehen, wie ein schmächtiger Junge im Hof stand und ganz allein versuchte, riesige Steine von einem Lkw zu laden. Das Arbeitshaus musste umgebaut werden, und wir hatten Betonkoffersteine geordert. Dadgul und seine gut genährten Cousins, die alle im Männerhaus übernachtet und anständig gefrühstückt hatten, sahen zu und diskutierten, wie die Wände gezogen werden sollten. Der schmächtige Junge sah nicht so aus, als hätte er schon gefrühstückt.
    »Ich werd euch Beine machen, ihr faulen Säcke!«
    Wütend gab ich erst Dadgul, dann seinen Cousins einen Schubs und zeigte auf die Ladefläche. »Los! Rauf mit euch! Wir sind nicht zum Vergnügen hier!« Aber sie lachten nur, und ihr Hohngelächter machte mich wahnsinnig. Ein krasser Fall von spätpubertärem Trotz gegen mütterliche Autorität.
    »Seid ihr bescheuert?«, wiederholte ich. »Wieso lasst ihr den armen Jungen ganz allein schuften?«
    Gelächter aus rauen Männerkehlen war die Antwort. Die Herrschaften beliebten an der Hauswand zu sitzen und die Morgensonne zu genießen.
    »Arschlöcher!«, stieß ich verächtlich hervor, krempelte die Ärmel hoch und kletterte wutschnaubend auf den Lastwagen.
    »Wie heißt du,

Weitere Kostenlose Bücher