Drachenklänge
die Knechte und Mägde kamen auf ihre Kosten.
»Sieh nur!« Kasia zeigte auf die felsigen Spitzen der Burg, wo zwei gemächlich kreisende grüne Augen
ihnen verrieten, dass Simanith droben Wache hielt. Sie winkte mit der Hand und erschrak, als der Drache zwinkerte.
»Ein Drache sieht alles, Kasia«, erklärte Robinton.
Dann wedelte auch er mit der Hand, und abermals
antwortete Simanith mit einem Blinzeln.
»Weiß er, was F'lon bekümmert?«
»Nein. Leider nicht.«
Dann betraten sie die Eingangshalle der Burg.
Aus Gründen der Sparsamkeit waren die meisten
Leuchtkörbe nur halb geöffnet, und das trübe Licht reichte gerade aus, um ihnen den Weg zur Treppe zu weisen.
»Wenn du dir das nächste Mal etwas Neues zum
Anziehen kaufst, musst du Clostan wieder mitnehmen«, schlug Kasia ihm vor, als sie die Stufen hinauf-eilten.
»Jetzt kannst du mir doch bei der Auswahl helfen.«
Ihm missfiel die Vorstellung, jemand anders als Kasia könnte sich nun in seine privatesten Belange einmi-schen.
Sie rannten die Treppe hoch, und oben angekom—
410
men schnappten sie nach Luft. Kasia kicherte, als Robinton sie galant in ihr Quartier führte und hinter sich die Tür verschloss. Er wollte nicht das geringste Risiko eingehen, dass jemand sie störte.
*
Beim ersten Tageslicht verließen sie die Burg, die Seesäcke geschultert, und liefen Hand in Hand zum Anleger hinunter, wo die Schaluppe auf sie wartete. Unterhalb der Festung schliefen Gäste auf Stühlen und über die Tische gebeugt, nicht wenige lagen gar darunter.
Banner, die die Verkaufsstände zierten, flatterten in der leichten Brise. Als sie ihre Sachen im Boot verstau-ten, spähte Robinton zu den Zinnen der Burg hinauf.
Kein Drache war dort zu entdecken.
Robinton wusste nicht mehr, ob er sich von seiner Mutter verabschiedet hatte. Vermutlich ja, denn er erinnerte sich, dass er sich höflich bei Kasias Eltern für ihren Besuch bedankt hatte.
Während Kasia sich ins Heck an die Ruderpinne
setzte, löste er die Fangleine, wie Captain Gostol es ihm gezeigt hatte, sprang behände in den Bug und schob die Schaluppe von den wuchtigen Pfeilern fort.
Dann hisste er das Segel, das sich sogleich im Wind blähte. Kasia stellte das Segel, bis es sich in der Brise straff spannte, und danach setzte sich Robinton zu ihr in die Plicht.
Ein Fischer auf einem größeren Trawler, der aus seiner Kabine trat und an Deck ging, winkte ihnen zu, während sie durch den großen Hafen glitten, um die offene See zu erreichen. Erst nach acht Tagen und Nächten sollten sie wieder einen Menschen sehen.
Die Schaluppe, das Meer und der Himmel wurden
ihre Welt. Zum ersten Mal seit vielen Tagen spannte sich ein wolkenloses, strahlend blaues Firmament von 411
Horizont zu Horizont. In diesen Breiten zeigte sich der Herbst zuweilen von seiner besten Seite. Obwohl Robinton und Kasia trübes Wetter nichts ausgemacht hätte, Hauptsache, sie waren zusammen. Beide angel-ten gern und liebten gebratenen Fisch.
Dann verschlechterte sich das Wetter und ein gewaltiger Sturm brach los. Mitten im Brüllen des Orkans schrie Kasia Robinton zu, das Segel einzuholen und festzubinden. Nachdem Robinton es mit Mühe und
Not geschafft hatte, trotz des peitschenden Regens und der sich auftürmenden Wellen das Segel am Baum festzumachen, kletterte er nach unten und holte ihre Schlechtwetterkleidung.
Zuerst schlüpfte er in sein Ölzeug, damit er Kasia an der Ruderpinne ablösen konnte, wenn sie die Schutz-kleidung anlegte. Doch es dauerte eine geraume Weile, bis sie die Pinne loslassen konnte. Ihr Gesicht war weiß und spitz vor Kälte und dem prasselnden Regen, während das kleine Schiff auf den entfesselten Wellen zu tanzen schien. Immer wieder spülten Brecher über das Deck, und auf Kasias gebrüllten Befehl hin han-gelte Robinton nach dem Putzeimer.
Er konnte ösen wie er wollte, immer mehr Wasser
sammelte sich im Boot. Mit einer Hand betätigte er den Schöpfeimer, mit der anderen half er Kasia, die Ruderpinne zu halten. Die Schaluppe ritt auf den weiß schäumenden Kämmen gigantischer Wogen, um dann
wie im freien Fall in die gähnenden Wellentäler abzu-sacken.
Robintons Zähne klapperen vor Kälte, und durch
den wild flatternden Regenvorhang sah er, wie Kasia die schmalen Lippen zurückzog, als wollte sie dem Orkan die Zähne zeigen. Sie lag halb über der Ruderpinne, darum kämpfend, den Schiffsbug in die Wellen zu drehen. Sie brauchte ihm nicht zu sagen, dass eine Woge, die sie längsseits
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