Drachenklänge
Nemorth. Wie die Reiterin, so der Drache. Als sie das 495
nächste Mal in Hitze kam und ihre Haut glänzte wie flüssiges Gold, sorgten wir dafür, dass sie nichts fraß, sondern nur das Blut trank. Es war nicht einfach, sie zu befliegen, aber Simanith gab nicht auf. Fing sie ein und hat es ihr gut besorgt.«
Robinton verbiss sich ein Schmunzeln. Er fragte
sich, wie F'lon seine korpulente Gefährtin bei dieser Gelegenheit beschlafen hatte, doch über bestimmte Dinge redete man nicht einmal mit seinem besten
Freund.
»Dann wird sie also im kommenden Winter ihr Gelege absetzen.«
»Hoffen wir's.«
»Vielleicht wird es ja größer als die letzten.«
»Wir könnten wahrlich mehr Drachen gebrauchen.
Ein Hoch auf die Drachen und ihre Reiter.« F'lon leerte sein Glas und warf es in den Kamin. Robinton folgte seinem Beispiel, obwohl er den Verlust der schönen Gläser bedauerte. »Zur Gegenüberstellung hole ich dich ab. Meine beiden Söhne stehen als Kandidaten zur Verfügung.«
Ehe Robinton ausgerechnet hatte, dass der Jüngste dann erst zehn wäre, war F'lon schon wieder zur Tür hinaus.
»Er muss es wissen, schließlich ist er der Weyrführer«, brummte Robinton. »Und die Drachen werden sicher die richtige Wahl treffen.« Wenigstens hoffte er es.
Noch in derselben Siebenspanne erhielt er einen
weiteren Überraschungsbesuch.
Silvina klopfte an seine Tür. »Hier sind zwei Leute, die dich sprechen wollen, Rob«, erklärte sie lächelnd und ließ die Gäste eintreten.
Robinton stand auf, um die Ankömmlinge zu begrüßen: Ein grauhaariger Mann und ein schlaksiger, schüchterner Junge, der so ängstlich dreinblickte, dass Robinton ihm betont herzlich zulächelte. Mit einer 496
Hand, an der zwei Finger fehlten, schob der Alte den Burschen nach vorn. Dann vollführte er vor dem Meisterharfner eine feierliche Verbeugung.
»Du kannst dich sicher nicht mehr an mich erinnern«, begann er das Gespräch. »Ich bin Merelans Vetter.«
Die verstümmelte Hand, die tiefe Stimme, das
braune, wettergegerbte Gesicht und die vage vertrauten Züge des Mannes gaben Robinton einen Hinweis.
»Rantou?« rief er aus.
»Der bin ich.« Der Mann grinste breit. »Rantou aus den Wäldern. Ich hätte nie gedacht, dass du dich nach so langer Zeit noch an meinen Namen erinnerst.«
Robinton schüttelte die dargebotene Hand und bot den Besuchern an, Platz zu nehmen. Silvina entfernte sich, um für Erfrischungen zu sorgen.
»Es ist tatsächlich eine Ewigkeit her«, meinte Robinton. »Aber ich denke oft an diesen Sommer zurück, als ich im Meer schwimmen durfte und meine zahlreichen Cousins und Cousinen kennen lernte.«
»Wie ich hörte, starb Merelan vor einiger Zeit«, erwiderte Rantou mit ernster Miene. »Hin und wieder hörte ich sie auf Versammlungen in Süd-Boll singen.«
»Du hattest auch eine sehr schöne Stimme.«
Der Alte strahlte, und der Knabe rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her, offenbar unsicher, wie er sich verhalten sollte.
Rantou räusperte sich und beugte sich nach vorn.
»Nun, eine andere schöne Stimme ist der Grund für meinen Besuch.«
»Ach was!«
»Ja.« Rantou legte eine Hand auf die Schulter des Jungen. »Das ist mein Enkelsohn, Sebell. Er kann singen. Ich möchte ihn zum Harfner ausbilden lassen, falls sein Talent ausreicht.«
»Aber das ist ja herrlich, Rantou.«
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»Hier hat er es besser als in den Wäldern. Ich werde nie vergessen, was dein Vater damals zu uns sagte«, fuhr er augenzwinkernd fort. »Viel hat er ja nicht von uns gehalten.«
»Oh, ich …«
»Streite es bloß nicht ab, Junge – ich meine, Meisterharfner.« Rantou erinnerte sich, dass er eine so bedeutende Persönlichkeit nicht kritisieren durfte.
Robinton lachte. »Du hast ja Recht. Aber er reagierte nur so ungehalten, weil er fand, hier würde ein großes musikalisches Talent verschwendet.«
»Deshalb möchte ich Sebell die Chance geben, etwas Besseres zu werden«, sagte Rantou. »Er ist klug, spielt Flöte – er hat sie übrigens selbst angefertigt – und auf unserer alten Gitarre. Kennt sämtliche Lehrballaden.
Bei uns lässt sich nur selten ein Harfner blicken, unsere Gemeinde ist einfach zu klein, aber wir haben ihm beigebracht, was wir konnten.«
Robinton wandte sich an den Jungen, der nun tapfer das Kinn vorreckte. Er hatte denselben gebräunten Teint wie sein Großvater, einen von der Sonne gebleich-ten Haarschopf und weit auseinander stehende dunkle Augen, die neugierig das gesamte Zimmer
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